23 Januar 2007

von Isabel am 23.1.: vom Zulassen und Betrachten

Hallo! Ein kleines *tröst* für @sine
Trauer ist ja etwas Wichtiges und traurig sein etwas Notwendiges, wenn man es nur zulässt.

@sine schreibt
ihr interesse tut gut, aber verständnis wäre noch besser. oder - dass sie eine grenze zieht! sie könnte doch auch sagen: sine, schön schön, aber das ist nichts, worüber ich sprechen möchte. das ist nicht mein thema.

Hmm … ich kenne solche Reaktionen wie die deiner Kollegin und ich hatte immer den Eindruck, dass ich da jetzt in einer anderen Sprache spreche, so ungläubig waren die Blicke, die ich erntete.
Es war ihnen förmlich anzusehen, dass sie selbst nie auf die Idee gekommen wären, das, was mir durch den Kopf ging, auch nur im entferntesten Ansatz zu denken.

Ihre Reaktion war dann immer Schweigen - was sonst! Sie hörten entweder nicht zu, sind also in dem Moment aus dem Gespräch ausgestiegen, in dem sie nicht mehr mithalten konnten,
oder sie wunderten sich einfach still, dass man über Dinge Gedanken machen konnte, über die sie selbst nie nachgedacht hätten.

Ja, ja, als ob nachdenken wehtun würde. Und das tut es wohl auch so vielen. Dieses Verweigern, diese Scheuklappentechnik, sie ist nur zu menschlich: so viele können nicht anders, könnten ihr Leben nicht ertragen, keinen einzigen Tag mehr, wenn sie es wagen würden, sich der Wahrheit zu stellen.
Es IST dann alles anders und man MUSS dann reagieren.

Auf deinen Hinweis auf das Ungleichgewicht in Beziehungen -
ob es nun um gleichwertige Freundschaften geht, die zwischen Eltern und erwachsenen Kindern entstehen KÖNNTEN oder um das Beispiel am Flughafen -
ist mir noch ein weiteres skurriles Geschichtchen aus meiner Vergangenheit eingefallen, das ich noch erzählen darf.

Ihr wundert euch eh nicht mehr über mich?
;-)

Als ich erst kürzlich getrennt war von dem Mann,
mit dem ich lange Jahre verheiratet war,
den ich schon seit fast drei Jahrzehnten kenne,
den ich schon als Kind kannte,
mit dem ich alt werden wollte,
von dem ich mich wahrscheinlich nie getrennt hätte, egal wie schwierig, wie kompliziert oder gar unerträglich die Beziehung geworden wäre,

als ich also erstmals so ganz allein in meiner Wohnung saß - zum allerersten Mal in meinem Leben völlig allein - ertappte ich mich dabei, dass ich in jedem Zimmer das Licht ausmachte und die Fenster schloss. Gleich einer Manie kontrollierte ich jeden Raum.

Nicht weil ich ängstlich gewesen wäre oder weil es mir ein Bedürfnis war, überall alles dunkel und geschlossen zu halten, nein, weil ER mich lange Jahre darauf konditioniert hatte, aus Gründen der Sparsamkeit nur ja nicht das Licht an oder ein Fenster geöffnet zu lassen, so lange niemand im Raum war.

Das es ja aus ökonomischen Gesichtspunkten ein verständlicher Wunsch war, hab ich ihn nie in Frage gestellt. Wie sehr mich das eigentlich störte, entdeckte ich erst jetzt.

Die Besonderheiten der Konditionierung sind ja, dass man die Wünsche der anderen zu seinen eigenen macht und wenn man ihnen zuwiderhandelt, leidet, obwohl man sich etwas Gutes tut.
Das geht so lange, bis die Konditionierung nachlässt, Extinktion einsetzt - sagt die Lerntheorie.
Also versuchte ich mich selbst zu de-konditionieren, indem ich in jedem Raum das Licht anließ. Was für eine Verschwendung an Energiekosten …

Und beobachtete, was passierte. Ich hörte seine Stimme, allen Ernstes. Der Ton, so wie er mit mir sprach, war alles andere als ein herzlicher, dem man einem gleichwertigen Partner gegenüber einschlägt. Damals hatte ich mich (zum ersten Mal?) gefragt, was um alles in der Welt mich bei ihm gehalten hatte. Bis ich irgendwann erkannte, dass er ähnliche Konditionierungsmaßnahmen einsetzte wie Frau Mama …

Das zu erkennen, war nur mit dem notwendigen Abstand möglich. Sich den zu verschaffen und dementsprechend klar zu sehen, dauert eben seine Zeit.

Und alles, was man dafür macht, kann helfen. Trauer hilft, sie ist eine aktive Kraft. Resignation ist es nicht, und auch nicht die Verweigerung.

Lieben Gruß von Isabel!

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