12 Januar 2007

von Isabel am 12.1.: Ein Wunder oder war es ein Traum?

Siehste, das ist nun wirklich pathetisch ;-) J als ein Wunder zu bezeichnen.
Aber vor allem - und hier trifft es sicher zu - war es ein Wunder, ihm zu begegnen und dafür bin ich einfach dankbar und auch manchmal zufrieden, wenn ich es kann. An Tagen wie heute gelingt das und solche (vermeintlich "richtigen“) Zeitpunkte sollte man immer nutzen.

In der Wissenschaft zu arbeiten, bleibt den besonders Talentierten vorbehalten, schrieb ich. Bis vor einigen Jahren hatte ich noch nicht viel Ahnung davon. Da begann ich erst im wissenschaftlichen Bereich zu arbeiten - als einer der wenigen Nichtwissis, ich wurde für die Verrechnung angestellt - und ein Jahr später lernte ich ihn kennen. Er stand eines Tages einfach hier und stellte sich vor, er sollte das neue Projekt betreuen, das in der Abteilung anlief.

Er fragte, ob er hier richtig wäre. Natürlich war ich die falsche Ansprechperson, "Natürlich sind Sie hier richtig“, sagte ich. Es ist erstaunlich, wie gut man sich an den ersten Moment erinnern kann, oder ist es das nicht?
Von Liebe auf den ersten Blick will ich nicht sprechen (Pathetik mit Grenzen), aber es war doch eine Verbundenheit, eine Vertrautheit spürbar, die man zu anderen auch oft nach vielen Jahren nicht findet.

Etwas Besonderes eben, J …

Ich war noch neu dort, er war neu, wir freundeten uns an. Es ist nicht üblich, dass sich Wissenschaftler mit Non-Wiss wie mich abgeben, aber er hatte keine Vorbehalte, keine Berührungsängste und keine Scheu. Er sah mir an, wie schlecht es mir damals ging. Die Scheidung war erst vor kurzem durch und ich steckte noch ordentlich drinnen in dem ganzen Mist, wie es @Zitro nennen würde.

Er fragte nach meinem Studium, kannte viele Details, interessierte sich trotz seines enormen Zeitmangels und Arbeitsstress, schenkte mir Aufmerksamkeit, Zuwendung und Interesse. In so einen Mann verliebt man sich eben beinahe automatisch.
Es war eine sehr langsame Annäherung, eine behutsame. Keiner wollte dem anderen etwas vorschreiben, keiner wollte den anderen maßregeln, keiner hatte Forderungen und keiner verlangte etwas. Wir waren füreinander da auch oft nur in Gedanken und dem Wissen, der andere sitzt ein paar Zimmer weiter vertieft in die Arbeit.

Wir sahen uns auch an den Wochenenden an der Arbeitsstelle und immer öfter privat, zuerst mal abends, dann am Wochenende, zwar selten, doch immer öfter. Nie geplant und immer spontan, nur keine Verbindlichkeiten.
Langsam fasste er Vertrauen und erzählte mir von seiner gescheiterten Ehe, weil Beziehungen eben darunter leiden, wenn man nur für die Arbeit lebt. Jeder wie er kann und was er kann. Es waren besondere Gespräche und einzigartige Momente, wenn wir nur für uns waren. Nie zuvor kannte ich jemanden, der immer alles so sehr in einem behutsamen Licht sehen konnte, nie ein unangenehmes Wort verlor und anscheinend auch niemals einen bösen Gedanken.

Forschungsförderung zu generieren ist schwierig, selbst bei Themen, die brisant und hochaktuell sind. Das Genehmigungsverfahren ist noch schwieriger, umso größer war die Freude, als sein Nachfolgeprojekt auch genehmigt wurde.
Geplant waren ein Projekt zu dritt und ein mehrmonatiger Aufenthalt in Uganda für jeden der Projektteilnehmer. Es lag wohl an den Kosten, dass die anderen Mitarbeiter eingespart wurden.

Jetzt sitzt er da unten - mittlerweile fast anderthalb Jahren - und forscht und rettet damit wahrscheinlich die Menschheit. Oder zumindest ein paar Kindern das Leben, was ja auch nicht weniger heldenhaft klingt. Kann man dagegen argumentieren? Wohl nicht.
Am Anfang kamen viele E-Mails und Anrufe trotz der hohen Kosten. Doch mit der Zeit wurde die Qualität anders, die E-Mails wurden nüchterner, kürzer, die Anrufe blieben aus.
Dann noch einmal pro Woche ein Mail, dann nach drei Wochen, nach zwei Monaten. Dann eines im Juni, eines im September, eines vor Weihnachten.

Mittlerweile kann ich nicht mehr - nicht mehr warten, nicht mehr hoffen, und nicht mehr diejenige sein, die mit aller Kraft den Kontakt aufrecht erhält, damit er nur ja einen Grund hat, zu schreiben. Ich habe aufgegeben.
Er hat sich für die Arbeit entschieden und beides ist nicht möglich, man macht sich nur etwas vor. Diese Entscheidung war wie selbstverständlich und ich verstehe es auch. Natürlich hat es mich - wieder - in tiefsten Liebeskummerschmerz gestürzt. Ich war wieder die, die leidete.

Nachdem ich halbwegs verstanden hatte, warum meine Ehe gescheitert war, und halbwegs begriffen hatte, was für ein Glück es war, jemanden wie J zu begegnen - gerade als ich soweit war und dachte, endlich läuft das Leben gut - da passiert so was, mit dem ich nicht umgehen kann.

Mit gescheiterten Beziehungen umgehen zu lernen, ist mir noch nicht gelungen. Das Wissen des Versagens reicht schon um mich minderwertig zu fühlen. Den Sinn, diese Erfahrung machen zu müssen, hab ich noch nicht begriffen.
Daher auch das Lesen im Forum. Es enthält keine Antworten, das weiß ich. Es dient auch mehr der Entspannung als der Erkenntnis, ja. Aber es ist eine gute Möglichkeit, meine eigenen Erlebnisse mal ein bisschen vergessen zu dürfen.

Geteiltes Leid ist nicht halbes Leid, sagte @Zitro? Es ist aber auch nicht doppeltes. Es ändert den Fokus und stellt den eigenen Wahnsinn für Momente in den Hintergrund.
Und das tut ganz gut. Besonders weit in der Aufarbeitung bin ich wohl nicht.

Das Ganze klingt traurig, wenn man es jetzt nicht banal nennen will, wie es für Außenstehende wohl immer sein wird. Es klingt für mich selbst deprimierend und dennoch weiß ich, dass mir gar nichts anderes bleibt, als damit zu leben. Irgendwie. Und einmal kommt der Tag, an dem nur noch die schönen Erinnerungen zählen. Der kommt bestimmt.
Irgendwann.

Keine Kommentare: