27 September 2005

von DT am 27.9.05: Erinnerungen

Nuja, mit den Erinnerungen ist das so eine Sache. Ich hatte so mit 17 auch mal ein Tagebuch geführt, ungefähr für ein halbes Jahr. Vor ein paar Monaten habe ich es geschreddert. Was darin stand, war mir sowas von dermaßen peinlich, da fiel mir gar nichts mehr zu ein.
Das war nicht ich. Das war irgendein pubertierender Idiot, der so ziemlich gar keine Ahnung und völlig falsche Vorstellungen (wenn überhaupt irgendeine) davon hatte, was wichtig im Leben ist und was nicht.
Es tut mit nicht ein Stück leid um das Tagebuch. Die Erinnerungen von damals habe ich ja noch immer in meinem Kopf. Im Gegensatz zum Tagebuch sind sie aber mit mir gewachsen und haben mir ihre ganz eigene Lehre mit auf den Weg gegeben.
Erinnerungen sind nicht statisch. (Gerade Ihr Juristinnen müßtet ein Lied davon singen können, wenn eine Zeugenaussage im Brustton der Überzeugung mit "100%iger Sicherheit" abgegeben wird, gnihihi!) Deshalb sind alte Tagebücher, Bilder oder Filmaufnahmen manchmal so befremdlich. Sie stellen einen Schnappschuß unserer damaligen Persönlichkeit dar, der sich seitdem nicht mehr weiterentwickelt hat. Wir sind diesem Schnappschuß dann manchmal derart fremd, daß das ein völlig anderer Mensch zu sein scheint.
Ich denke, die Organisation und Struktur von Erinnerungen ist aus gutem Grund so angelegt, wie sie ist. Eine völlig statische Faktenbasis paßt vielleicht zu einem Computer, ist aber dem Menschen fremd. Daher habe ich auch kein Problem mit dem gekillten Tagebuch. Ich weiß trotzdem noch ziemlich genau, was ich damals schrieb, und was mich so umtrieb, aber im Lichte meiner jetzigen Persönlichkeit ist diese Erinnerung ein zurückliegender Meilenstein meiner Entwicklung, an dem ich schon lange vorbeigeschritten bin. Das läßt die Erinnerung an sich nicht ganz so peinlich wirken, wie der Text höchstselbst blau auf weiß.
Interessanterweise ist es allerdings so, daß ich zum Beispiel meine Posts, die ich so vor einem Jahr oder so in Foren geschrieben habe (unter anderem auch das LK-Forum), nicht löschen würde, sondern sie im Gegenteil immer wieder ganz gern lese. Der Mensch, der da durchscheint, ist mir wesentlich näher und verständlicher als der, den ich in dem Tagebuch entdeckt habe.
Es scheint also so zu sein, daß man sich nicht per se vom jetztigen Selbst in der Zukunft total entfremdet, sondern daß manchmal einfach die Entwicklung so große Sprünge macht. Naja, von der Pubertät zum Erwachsenen ist schon ein großer Unterschied. Es wundert mich net wirklich.
Also Fazit: Das Vernichten von Tagebüchern und anderen Schnappschüssen unseres vergangenen Selbst kann durchaus befreiend wirken, wenn wir uns von diesem Selbst schon längst fortentwickelt haben. Ansonsten würde es nur unsere Persönlichkeit hemmen und auf einem vergangenen Stand festhalten.

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