23 November 2006

von Isabel vom 23.11.: vom Vertrauen

Hallo liebe @sine und alle, die mitlesen,
es tut mir Leid, dass es dir nicht gut geht. Und dass es mir Leid tut, ist so selbstverständlich, dass ich es erst gar nicht geschrieben habe. Bitte verzeih.

Krankheit ist - bestimmt nicht nur für mich - das Schlimmste und so etwas wie ein Zeichen, auch wenn das Wort etwas gar schicksalsgläubig klingt: es ist ein Zeichen, dass es Zeit wird, die Dinge neu zu ordnen, die Prioritäten neu zu schlichten und den Fokus zu verändern.

Sicher kann dir ei noch vieles bieten. Aber dass man dir einen vor Minderwertigkeitskomplexen strotzenden Drachen vor die Nase setzt, macht mich stutzig. Vll ist ei der falsche Weg, vll sind die Schmerzen wirklich deine Gelegenheit, eine Auszeit zu nehmen und alles zu reflektieren. Es ist schön, dass du das so siehst. Dass du in allem, was passiert, auch eine Chance sehen kannst.

Wenn ich mich erinnere, welch bescheuerte Jobs ich schon hatte und von wem aller ich mir schon auf den Nerven trampeln ließ, die Liste ist lang. Es gab Ungerechtigkeiten, es gab Streit, es gab Mobbing, es gab die wüstesten Schreiduelle - und was habe ich hier?

Hier war es von Anfang an entspannt und freundlich. Es war einfach und ist es noch. So, als ob es gar nicht anders sein könnte. Schon seltsam, nicht? Man müht sich jahrelang ab und tut und macht und versucht, immer das Beste aus allem zu machen. Und dabei wartet das Beste still und geduldig, bis es entdeckt wird. Einfach so.

Eines möchte ich gern richtig stellen. @sine du schreibst vom Verzeihen. Ich hab bisher von meiner Ehe wenig erzählt, und eigentlich gibt es auch wenig darüber zu erzählen. Was schon krass klingt, es waren immerhin 15 Jahre.
Nein, es ist nicht so, dass ich Hrn. Ex vermissen würde oder vergeben möchte.
Ich werde ihm auch nicht verzeihen, darin sehe ich keinen Sinn. Seine Schuld darf er behalten und mit sich herum schleppen, es betrifft mich nicht wirklich. Nicht mehr.

Was mich aber so belastet hat und es noch immer tut, ist mein fehlendes Einschätzungsvermögen. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so sehr getäuscht wie in ihm. Ich dachte mir, ich wüsste alles von und über ihn und alle seine Gedanken, Handlungen, Reaktionen hätte ich jahrelang richtig eingeschätzt.

Dass er sich so sehr wider meine Einschätzungen verhalten hat, hat dazu geführt, dass ich jedes Vertrauen in meine Menschenkenntnis verloren hatte. Auch heute noch zweifle ich sehr an mir selbst. Niemals gab es diese Zweifel in meinem Leben, nur er schaffte es, mich so sehr zu verunsichern. Und schafft es offenbar noch immer.

Ich bin vorsichtiger geworden im Umgang mit anderen, aber auch im Umgang mit mir selbst. Ich bin viel hellhöriger geworden, distanzierter und viel misstrauischer. Dieses stetige Aufpassen zerrt an den Nerven, es strengt an und macht müde. Es kostet Kraft und Lebensqualität. Ständig hochkonzentriert zu sein, lässt einem erstarren - du hast es schon mal ganz richtig eingeschätzt.

Den Fokus ganz unverkrampft auf sich selbst und auf schöne Ziele zu setzen, das wäre es wohl.
Ich wünsche es dir und mir.
Liebe Grüße!

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