09 Juli 2006

Isabel am 9.7.: Kompromisse

Liebe sine,

Vielen Dank für deine fürsorgliche Nachfrage. Der 06. Juli hat es so an sich, dass mich die Schwermütigkeit ein wenig zu quälen beginnt, dass ich so konfuse Dinge schreibe *g*

also ich würde gerne hören, was passiert ist. dinge passieren manchmal auch nur in unseren köpfen

mhm, das stimmt durchaus und es ist auch nicht wirklich eine Geschichte, die mich dauerhaft belastet. Diese radikale Akzeptanz, ja ja, das ist die, die das letzte Wort bekommt, weil uns doch nichts anderes übrig bleibt.

Zu meiner Geschichte ist eigentlich nur zu sagen, dass es halt eine verhaute Geschichte gewesen ist, die sich in der Zeit meiner Krise zugetragen hat. Krise in der Krise? Eigentlich war’s eher ein Lichtblick in dieser Relation, aber alles geht ja einmal vorrüber.

Damals war es nur so schwer verstehen zu lernen, wenn ich schon sehr liebevolle und liebenswürdige Menschen um mich habe, warum ich sie dann wieder hergeben muss?

Die Mitarbeiter, die sich um mich scharen - und ich bin sehr dankbar für ihre Gesellschaft - sind leider immer nur für zwei Jahre angestellt, Projektmitarbeiter eben. Dann wandern sie weiter zum nächsten Projekt (und wechseln dabei nicht selten den Kontinent).

Es ist traurig, weil man sich immer wieder verabschieden muss, es ist aber auch schön, immer wieder neue Mitarbeiter begrüßen zu dürfen - man muss sich eben nur an diesen dauernden Wechsel gewöhnen, das fiel mir anfangs so schwer, und einige vermisse ich noch heute sehr, und einen ganz besonders ...

ach ja

und seufz

@sine, mich würde aber auch in meiner unverbesserlichen Neugier interessieren, warum diese Freundin leider ehemalig ist ...?

verzeih

@Zitro, ja, das ist so, wie du sagst, leider (einerseits) ist es genau so, dass man die Dinge, die so schwer Akzeptanz finden, vor sich herwälzen muss und die guten so gern hinnimmt, sich freut, sie auch würdigt (?) aber nicht festhalten will -

?

Ich überlege gerade, ob das nicht ein Widerspruch ist - sollte man nicht gerade die guten Erlebnisse aufschreiben, um in schlechten Zeiten von diesen Aufzeichnungen profitieren zu können?

Aber das ist es ja gerade: der gute Moment bedarf keiner Dokumentation und keiner Ergänzung und dass die Zeiten wieder schlechter werden, denkt man in diesem Moment selbstverständlich nicht - wäre ja auch ein Launekiller.

Doch bleibt in der Erinnerung alles nur bruchstückhaft, fragmentiert und so verzerrt, schade eigentlich.

Ein Versuch, dem entgegenzuwirken, wäre es doch wert:

Am Freitag ging ich abends noch durch die Stadt, den Kopf lüften, die Gedanken ordnen, wenn sie so wirr sind, ist das doch anstrengend - auch für mich ;-)

Es war ein buntes Treiben in der Innenstadt und der Donau entlang, und die laue Sommernacht hob dann doch die Stimmung.

Als ich durch die Gassen trabte, sah ich klein und unscheinbar eine Tür zu diesem alten Jazzclub, in den ich immer schon mal hineingehen wollte, es aber nie tat.
Inspiriert vom Thema Musik hier im Blog ging ich nun doch - aber sehr zögerlich - tief hinein ins Gewölbe.

Es gab eine Darbietung vom Feinsten. Nur wenige aber umso mehr begeisterte Zuhörer fanden sich ein und die Band bezauberte. Am meisten beeindruckte mich die Sängerin, Elli, wie sie sich später mir vorstellte, die mit ihrer sanften Stimme nahe an die große Ella kam.

Sie hatte dieses Strahlen. Kennt ihr das? Ich sah es bisher meist nur bei älteren Menschen und auch hier nur selten: Diese Selbstzufriedenheit, diese Gewissheit, das zu tun, was man tun möchte - und das mit Hingabe - lässt Augen strahlen und Gesichter alterslos erscheinen.

Die Stimmung war sehr feierlich, man fühlte sich wohl inmitten einer großen Familie, die alle die gleiche Vorliebe hatten, was zum Wohlbefinden und zur Schweigsamkeit beitragen konnte: es gab dem nichts hinzuzufügen, es war einfach schön.

Als das Programm um Mitternacht zu Ende und der Keller nur noch kalt und modrig war, waren alle sichtlich enttäuscht, aber doch zufrieden.

Für solche Abende bin ich dankbar, sie sind selten und werden immer seltener. Zwar ist es bestimmt ein guter Rat, die glücklichen Momente zu genießen und auch vorauszusetzen, doch passiert es mir immer häufiger, dass ich mich in - irgendwelchen - Gesellschaften nicht wohl fühlen kann.

Früher machte mir das nichts aus, glaube ich mich zu erinnern. Ich konnte mich in eine Gruppe setzen und mitreden, auch wenn das Thema noch so banal und langweilig war, das gelingt mir heute nicht mehr. Ich bin angewiesen auf Atmosphäre, auf gute Schwingung, um mich wohl zu fühlen, sonst bleibt mir nur noch die übereilte Flucht.

Seit ich nicht mehr zu Kompromissen gezwungen bin, werde ich immer anspruchsvoller und kompromissloser: seit ich ein angenehmes berufliches Umfeld habe, seit ich allein lebe, werde ich immer exzentrischer.

Das macht mich natürlich sehr nachdenklich und macht auch die Befürchtung, die eigenen Schrullen eines Tages nicht mehr erkennen zu können, zu wollen? – und niemanden um sich zu haben, der sie einem nennt. Und dann genau so zu leben, so zu werden und zu sein, wie man es niemals wollte?

...

Ich hoffe sehr, es geht euch gut und das Wetter hat sich schon beruhigt.

Einen schönen (Fussball ;-) Nachmittag euch allen und viele gute Wünsche!

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