09 September 2006

wie das so ist in einem prosperierenden unternehmen

hallo,

ich möchte erstmal in ruhe ein bissle leidensdruck verposten. daher erlaube ich mir, mal einige statements zu meinem betrieb abzusondern, die notgedrungen absolut nur vermutungen sind und nicht zu belegen sind.

es hätte daher eine gewisse sinnhaftigkeit, die firma net im klarnamen zu nennen und das tut ja bisher auch niemand (außer @Isabel *gg*). das ist hier ein kleiner blog über seelische befindlichkeiten und teilweise auch über semi-philosophische gedanken. wir leben in einer welt, die marken- und firmennamen enthält und ich möchte das schwierige vorhaben, mein seelenheil in diesem blog etwas zu verbessern, versuchen, ohne dass irgendeine garstige suchmaschine bei der eingabe des namens meiner firma diesen blog nennt.

gell.

also diese lauschige firma, in der ich derzeit als praktikantin arbeite, nennen wir seit einiger zeit "ei bi aem". ich glaube, das ist schon ganz gut so. ich erlaube mir mal, sie in zukunft "ei" zu nennen, ist doch noch konspirativer.

so und nun fängt mein von ersten eindrücken und assoziationen gespicktes nachdenken an über diese firma:

ei ist also ein betrieb, in dem das, was ich mir so sehnlich gewünscht hatte für meinen kleine rechtsanwaltskanzlei, verwirklicht ist: wir haben das VIRTUELLE BÜRO. das bedeutet, dass wir programme benutzen, die die verwaltung von intellektuellem eigentum (sprich: urheberrechte an programmen, aber auch hardware-entwicklungen und firmenstrategien im allgemeinen) zur fließbandarbeit werden lässt.

interessant! das bedeutet bezogen auf meine kanzlei, dass ich ein programm hätte, wo ich dauernd virtuell jemanden "fragen" könnte, ob ich das jetzt "richtig" gemacht habe und letzten endes bin ich nur ein kleines rädchen und mache beispielsweise nur die zuständigkeitsprüfung im falle von zivilrechtlichen schadensersatzklagen und mehr nicht. bei einer anfrage, ob ich auch mal einen strafrechtsfall machen möchte, würde ich sagen: sorry, aber dafür ist "criminal" zuständig und ich kann auch keine vorläufige einschätzung abgeben, ob wir den fall übernehmen, denn das hängt von unseren policies ab und ob der jeweilige manager sein "o.k." gibt.

*staun*

also mehr möchte ich jetzt net schreiben, wie das bei ei läuft, jedenfalls ist mein bild von ei so, dass wir wir fabrikarbeiter nichts tun ausser einer sich dauernd wiederholenden tätigkeit und dass dieser mechanismus, in dem wir eingespannt sind, uns frei macht von verantwortung.

die leute bei ei schalten ihr gehirn nicht aus, es muss auch in dem kleinen schwimmbecken, in dem wir unsere bahnen ziehen, nachgedacht werden, was wie konkret gemacht werden soll. wir haben aber einen gnädigen "gott", der uns unser "unwissen" und unsere menschlichen verhandlungsergebnisse transzendiert, und dieser gott heißt "legal". das bedeutet, die rechtsabteilung schaut in jedes vertragsdokument rein und äußert dazu orakelsprüche, die die leute im einkauf irgendwie in der realen welt annehmen und umsetzen müssen.

*LACH LACH*

es ist ernsthaft so!!! die juristen werden bei ei als "heilige kühe" betrachtet. anders als alle anderen haben sie kein lichtbild im ei-telefonbuch und alleine diese tatsache bedeutet ein geheimnis und eine absolut unverständliche alleinstellung der juristen.

eigentlich ist es gut, dass normale menschen und nicht die juristen die verträge aushandeln und sozusagen das juristische nur als droge den einkäufern von zeit zu zeit eingeimpft wird. was sie daraus machen, ist dann eigentlich wieder ihre eigene sache, bis dann ganz zum schluss ein vertrag unterzeichnet werden soll, den "legal" sich nochmal anschaut, bevor die unterschriften geleistet werden.

das ist eine form, jura anzuwenden, die ich eigentlich ganz gut finde. aber interessant ist, wie diese art, juristisch verbindlich zu handeln, auf uns einkäufer wirkt. wie gesagt: die juristen sind das orakel von delfi und wir wandeln von zeit zu zeit zu einem oder einer der jurist(inn)en, die dann in krämpfen und zuckungen scheinbar unverständliches von sich geben, nach dem wir uns dann zu richten versuchen.

:-/

o.k. aber nun mal zu meinen befindlichkeiten als praktikantin:

ich habe sage und schreibe EINIGE tage kein intranet-passwort gehabt. nämlich 7 tage lang. am 8. tag hatte gott die welt erschaffen und in meinem fall war der für das intranet-passwort erforderliche eintrag und das firmen-telefonbuch endlich vonstatten gegangen und ich durfte mir mein intranet-passwort endlich generieren.

*schief lächel*

danach bin ich in den weiten des intranets herumgesurft und hab dabei des öfteren die kontrolle verloren.

ich bin übrigens SEHR dankbar, dass monsieur und ich vor dem praktikum bei ei noch in gb waren!!! dass wir dort 14 tage lang englisch gesprochen haben, hilft mir. ich reg mich nicht auf, dass alles auf englisch ist. aber ich merke schon noch, dass es anstrengend zu lesen ist. am anstrengensten ist aber, wenn die schwäbischen kollegen englische ausdrücke benutzen, zumal das jeder ein bissle anders ausspricht als der nebendran...

naja aber ich vertraue wie schon erwähnt darauf, dass ich einen platz am virtuellen fließband zugewiesen bekomme und bald alle hebel kenne, auf die ich virtuell ggf. zu drücken habe, egal wie sie nun heißen mögen.

naja aber bisher war es LANGWEILIG. und nach aussage eines anderen praktikanten bleibt es langweilig. der einzige challenge ist, dass man mindestens ein projekt auch tatsächlich eigenverantwortlich machen darf, aber er ist jetzt 5 monate dabei und hat alles gemacht und alles begriffen und er will sich nimmer bei ei bewerben, es sei denn, sie bieten ihm (endlich) mal was anspruchsvolles an (damit meint er seine spezielle studienrichtung).

er ist kein angeber, und meine eigenen rezeptoren stimmen ihm zu. also nur zur klarstellung: dort, wo ich bisher einen studentenjob im callcenter hatte, war es RICHTIG langweilig! wir sind außerdem zur arbeit gescheucht worden wie unartige kinder. so ist es bei ei nicht!

im gegenteil. es gibt nämlich anscheinend einiges, was anders läuft als in allen betrieben (inclusive meiner eigenen kanzlei) und zumindest bisher BESSER zu sein scheint. dazu gehört zu allererst einmal, dass die leute alle arbeiten und nichts nebenbei machen. wir dürfen kaffeetrinken und auch im gang telefonieren, surfen... alles einfallstore für zeitverschwendung? naja also es findet aber keine zeitverschwendung statt. wir haben "ruhe-zimmer", in dem wir einzelgespräche mit kollegen führen können (also da schleppt jeder dann sein laptop rein und los geht's mit dem gespräch)? ja aber da wird nicht gelästert und gezürnt. da wird dann telefoniert, verhandelt, erklärt...

wir haben gleitende arbeitszeiten, die festangestellten haben überstunden abzubauen, wir haben zutritt in alle gebäude, wir haben bla wir haben blupp? ja aber es wird produktives verhalten gezeigt, kein übermäßiger schlendrian.

klingt gut!

ist es gut?

hm

ich habe wechselnde theorien. mal finde ich, dass ich verkümmert bin in meiner aufnahmefähigkeit von geregelten arbeitstasks. ich kann nicht glauben, dass ich im moment so wenig zu tun habe!!! ich kann nicht glauben, dass ein so großes unternehmen sich aus lauter langweiligen aufgaben und auch tatsächlich gelangweilten mitarbeitern zusammensetzt! warum kann ich es nicht glauben, warum nehme ich das nicht für mich an? eine erkärung: weil ich die herausforderung gewohnt bin, weil ich zu lange um meine eigene existenz gekämpft habe...?

mal finde ich aber, dass diese langeweile möglicherweise eine recht gute basis für produktives arbeiten ist und dass ich hier mal trotz bei mir selbst sehr großer langeweile nicht behaupten muss, dass ich die arbeitsverhältnisse schon durchdrungen habe. im gegenteil. im moment habe ich zum beispiel vorteile von der gepflegten langeweile: mein chef, der übrigens gerade auch den abteilungs-chef vertritt, hat zeit für mich, um mir unseren kopierer (und zugleich scanner) zu erklären, um mich mit meinem passwörter-wirrwarr (es gibt VIELE passwörter, das ersehnte intranet-passwort ist nur der anfang) zu unterstützen. ich kann wirklich jeden etwas fragen, denn keinen drückt etwas so sehr, dass er nicht mal 5 minuten zeit hat, sich mit nebensächlichkeiten zu befassen: es GIBT nur nebensächliches! ach nee, letzteres wollte ich ja nimmer voraussetzen.

*g*

nee aber dennoch: es KÖNNTE sein, dass die begrenzte verantwortung, die begrenzten aufgabengebiete und die unendliche langeweile mit tröpfchenweise fließenden tätigkeiten bedeuten, dass die mitarbeiter "belastungsfähig" sind und handlungsfähig sind, dass es keine unterscheidung zwischen wichtigen tasks und unwichtigen tasks mehr gibt, dass das miteinander tatsächlich erblühen kann und bla.

KÖNNTE sein!

das wäre doch mehr als möglich, wenn man sich mal leserbriefe in der zeitung anschaut und im gedächtnis behält, wie alle unter der arbeitslast stöhnen: es KÖNNTE doch sein, dass ei seine abläufe besser eingerichtet hat als andere unternehmen!

KÖNNTE sein, kann aber auch anders sein. ich kann es noch nicht entscheiden, was ich selbst glauben werde.

meine allererste theorie ist jedenfalls eine ablehnende theorie. ich glaube, ei schlägt überall und bei jedem geschäft enorme prozente raus. ei hat nur riesen-aufträge zu vergeben, ei hat nur riesen-volumen einzukaufen. gut! das liegt vor allem daran, dass es ei schafft, einkaufsoperationen zu bündeln! gut, das liegt daran, dass ei wirklich wegen jedem scheiss ausschreibungen macht! also ei investiert irre viel in die entscheidungen... aber für mich als noob schaut es so aus, als würde ei sich ewig lange entscheidungsprozesse leisten, die in der wirklichkeit eigentlich unrentabel wären und dass ei sich ausschließlich über die prozente finanziert, die ei als global player nunmal von jedem (!) geschäftspartner eingeräumt bekommt und dass diese ganzen auswahlentscheidung selbstzweck sind, mehr net.

naja

und dann fällt mir ein, dass ich vielleicht in einem geschäftsbereich sitze, in dem MACHT herrscht. etwas an ei habe ich nämlich doch schon mal gesehen... dieses vertrauen, dass man "alles richtig" macht, wo habe ich es schonmal gesehen? ach richtig: bei behörden.

:-)

aber original!!! wie in behörden arbeitet jeder mitarbeiter nur in dem kleinen mikrokosmos, der nunmal sein aufgabengebiet darstellt, und that's it.

bei behörden allerdings kommt in sehr vielen fällen (wenn ich das hier so deutlich behaupten darf, bitte) mist raus. hanebüchener haarsträubender mist. sorry wenn ich jetzt nicht mit beispielen für idiotische behördenentscheidungen komme. ich denke aber, ich darf es mal pauschal so behaupten.

aber behörden haben auch milliarden jahre ZEIT. also ich glaube, behörden haben MACHT, und vielleicht es es das, was ei und den staatsapparat irgendwie assoziativ auf eine ebene bringt: der machtfaktor.

hm

jetzt mal überlegen, ja?

ich bin also in einer firma, der es so gut geht, dass ihre mitarbeiter schöne arbeitsplätze haben, ein gepflegtes kollegiales miteinander ohne das übliche gestichel und ellenbogengerangel. ich werde in meinen 6 monaten keine aufgabe bekommen, die meine fähigkeiten übersteigt oder die ich nicht schaffen kann. ich werde geld verdienen, und die leute, die dort fest angestellt sind, erhalten noch viel mehr geld als ich! ähm also wenn man sich das überlegt... kommt man dann nicht zu dem ergebnis, dass ich im paradies gelandet bin?

warum schmeckt das paradies so fad?

;-)

so leutz

das sind so meine gedanken. "to be continued"!

ich sondere gleich noch was ab zu anderen themen.

also bis gleich!

eure

s.

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