26 Juli 2007

hühnchen rupfen mit der seele

isabel... ich glaube eigentlich nicht, dass ich resigniert habe.

zwar hast du schon recht: ich habe mich IMMER gebeugt. wenn du also schreibst:

[...] du kannst dich dennoch (noch) nicht von deiner Mutter lösen, nicht wahr?

Dass sie so übermächtig scheint, ängstigt mich ein wenig. Ich stelle es mir grausam vor, jemand oder etwas im Leben zu haben, der übermächtig scheint. Und du wehrst dich nicht dagegen, scheint mir. Das irritiert mich.




hm, also dann denke ich: och jein.

erstmal: seit wann löst man sich von etwas, wenn man distanz wahrt? wenn das distanz-wahren eine lösung von der mutter ist, dann eben doch nur örtlich, oder nicht?

ich bin ja nicht stolz auf meine idee von meinen kleinen gnomen und stimmen, die ich einfach mal annehme, um die dauernd wiederkehrenden befindlichkeiten, die ich nunmal habe, zu erläutern. also ich will sagen: es ist ja nur gut, wenn du es nicht gedacht hättest, dass ich meine mutter omnipräsent habe.

glaub mir, ich hab es selbst nicht gedacht!

das ist nunmal aber so, wenn man therapie macht. man bleibt nicht an der oberfläche. nicht alle finden personifizierungen für ihre inneren gedanken, jeder erlebt sein inneres wohl unterschiedlich. aber jeder lernt, etwas in sich zu erkennen, das DIE GANZE ZEIT am werke ist und was er nicht bemerkt hatte bisher.

die endlos-schallplatten, die mir mein inneres (von mir bisher ja auch meist unbemerkt) vorgespielt hat, versuche ich halt nach und nach zu entdecken. dann kann ich sie nämlich auch mal abschalten.

bisher hab ich nur eine endlos-schallplatte gefunden. da war mein herr selbstzweifel drauf mit seinen vielfältigen daueransagen, ich sei schuld, ich sei irgendwie komisch, ich könnte das SO nicht machen, und natürlich seine fiese lache.

*g*

jetzt könnte ich eine neue schallplatte gefunden haben: die, wo meine mutter drauf ist.

einmal (!) hatte ich ein stück von dieser mutter-schallplatte schon gehört. das war damals gewesen, wo ich morgens vor meinem kleiderschrank gestanden bin und plötzlich verstanden habe, was genau das unangenehme gefühl ist, das ich morgens empfinde. es hat sich (zu meinem erstaunen) gerade vor meinem kleiderschrank verstärkt. und dann merkte ich, dass ich mir insgeheim einredete, diese anziehsachen seien alle zu gut für mich, zu teuer, ich sei zu ungeschickt, um sie wirklich anziehen zu dürfen. ich würde sie kaputtmachen, ich hätte sie auch niemals kaufen können (viel zu teuer) etc. pp.

ich hab zum ersten mal gemerkt, welches orchester da in meinem inneren jeden morgen die schlimmsten kakophonie spielt.

solche gedanken, isabel, gibt es bestimmt nicht nur bei mir.

ich persönlich glaube, jeder hat sie. sie manifestieren sich andauernd, nur wir erkennen den hintergrund einfach nicht (oder eben nur sehr schwer). ich glaube, immer wenn man über sich selbst staunt, hat das innere, das wir nicht verstanden haben und vielleicht auch nicht so ganz je verstehen können, gesiegt.

das innere drückt aber nicht nur hie und da mal seine stempel in unser leben hinein. unser inneres beschert uns die fähigkeit zum glücklichsein.

meine fähigkeiten steigern sich, so denke ich, wenn ich meine probleme erkenne und mein inneres ernst nehme.

ähm

und übrigens frag ich mich, ob meine leidenschaft für mathe eventuell auch daher rührt, dass ich jetzt neuerdings wohl versuche, in meinem inneren das muster von der alles verbietenden mutter zu perforieren.

meine mutter hat weniger in meinem inneren verloren gehabt, als ich sie noch ignoriert habe und als ich sozusagen noch "mitgespielt" habe. also als ich noch die liebe tochter war, die immer, wenn mutter anfragt, auf IHRE gesprächsthemen einsteigt. die auf nachfrage IHR innerstes ehrlich preisgibt und offen und "vertrauensvoll" ist.

ich hab jetzt zugemacht. das ist die distanz, die ich brauche, meinst du? dass ich mich nicht mehr bei meiner mutter melde? dass ich sie ignoriere, so gut es geht jedenfalls...?

es ist für mich unsagbar anstrengend, nicht zu wissen, was meine mutter denkt. ich nehme es mit humor, dass ich keine reaktion erhalten habe auf meine letzte e-mail an sie (dort hab ich ihr mitgeteilt, dass ich die uni wechsele). ich weiß außerdem, dass diese nicht-reaktion GENAU DAS RICHTIGE ist für mich. genau so will ich mit meiner mutter über MEINE wichtigen entscheidungen kommunizieren: ich treffe meine entscheidungen allein und ohne ihr ewiges "hättest du nicht" und "versteh ich jetzt aber nicht"-geblähe.

schon ihr "wenn du meinst" nervt. *schiefguck*

hm

noch ein gedanke: ich hab mich mal mit dem daddy von monsieur unterhalten. er sprach mich direkt auf meine mutter an, und heraus kam, dass er (recht vergleichbar anscheinend) auch probleme mit seiner eigenen mutter hat. es war so einfach, mit ihm das eigentliche problem zu beschreiben: alle irrungen, alle wirrungen wären für uns als kinder unserer mütter gar kein so großes problem gewesen. aber es war ein problem.

grund: es fehlt einfach liebe!

sowohl bei meiner mom als auch bei der mutter vom daddy von monsieur ist es so, dass immer behauptet wird und wurde, dass alles doch GERADE aus liebe geschehe und nur zum besten sei. aha. dem ist aber nicht so.

wenn man nie akzeptiert wird für seine gedanken, nie verstanden wird, dann muss man gar nicht so lange fragen, warum das "ausgerechnet" zwischen eltern und kindern nicht funktioniert. denn es kann einfach nicht funktionieren, wenn die liebe fehlt.

das system ist einfach.

und das fazit ist erleichternd: es ist nicht die schuld der kinder, wenn die eltern so rumspinnen. sondern es ist ein problem, das die eltern haben. sie lieben ihre eigenen kinder nicht.

und wir kinder müssen zusehen, dass wir alle missverständnisse, alle (selbst-)lügen und alle gutgläubigen versuche ausradieren. abtun. loswerden.

ich denke, wenn ich meine mutter in meinem inneren höre, dann geht es mir haargenauso wie bestimmt 50% (wenn nicht 99%) aller anderen menschen mit ihren belastenden lebenserfahrungen. am allermeisten knabbern wir nunmal an unserer kindheit, also bin ich bestimmt mit meinem mutterthema in recht großer gesellschaft.

ich glaube dir ehrlich gesagt nicht, dass du mit deiner mutter einfach durch die distanz keine probleme mehr hast.

was ich jedoch glaube, ist, dass jeder sein päckle anders öffnet und verarbeitet. und ich glaube, jeder hat einen anderen zeitpunkt, WANN er sich an sein eigenes päckle herantraut.

deshalb denke ich nicht, dass es mir so wahnsinnig schlecht geht. im gegenteil, ich denke manchmal: die armen leute, die sich um ihre probleme nicht kümmern.

ich glaube, wenn ich selbst nicht vor 4 (oder waren es 5?) jahren die therapie begonnen hätte, dann wäre ich jetzt wirklich arm dran. ich hatte damals das gefühl, irgendwie auf ein burn-out zuzusteuern.

heute morgen stand ich vorm spiegel und habe meine zähne betrachtet. mein einer unterer vorderzahn hat einen riss im zahnschmelz. die zähne in meiner front sind alle nicht mehr frei von schmissen. und diese schmisse sind keine normalen unfälle. sondern sie rühren von wilden nächten her, in denen ich mich verletzen wollte.

nein, ich hatte natürlich nicht die INTENTION, mich zu verletzen oder verletzen zu lassen. aber ich war mir so verdammt egal.

ein forumsmitglied, @venice, sagte mal, das schlimmste sei, dass sie nichts mehr spürt. ihre depression war so stark, dass sie nichts mehr gemerkt hat.

ich war auch auf dem weg dorthin. also mich hat der körperliche schmerz nicht so berührt, wie man es vermuten könnte. im gegenteil: durch jeden schicksalsschlag erhoffte ich mir auch was.

meine zahnfront habe ich sonstwo demoliert. einmal war mir mein eh schon demolierter halber schneidezahn mal beim tanzen ausgeschlagen worden. aber wo der rest herkommt, weiß ich nicht.

ich war mir so egal früher, ich hab mir gerade meine zähne jahrelang nicht mehr angeschaut.

und solche dinge, isabel, sind keine totalen zufälligkeiten. sie sind selbstnegation. ich kenne mich nicht genau aus und weiß daher nicht, wohin das führt. ich weiß vieles nicht. aber in meiner therapie hab ich gelernt, dass ich mich selbst ernst nehmen sollte. dass es ein maß gibt, an dem ich die "richtigen" entscheidungen treffe: das maß bin ich. so lange ich nicht mehr auf mich selbst aufgepasst habe, solange ich mir sogar mein eigenes dasein insgeheim aberkohren hatte, solange war etwas nicht in ordnung.

ich habe ein absolut behütetes leben gelebt. es gibt nichts anderes an problemverursachern als meine mutter. und dass eine mutter ihr kind jetzt nicht über alle maßen liebt, ist doch auch kein verbrechen.

so what

es bestimmt nunmal mein leben. deshalb bin ich nicht ärmer dran als andere, ganz bestimmt nicht. ich glaube eher, die anderen sehen ihre probleme nur nicht.

es gibt auch menschen, die eine wirklich gesunde seele haben. aber wenn ich mal raten soll: zu denen gehören wir alle nicht, die hier im blog sind. nichtmal monsieur *g*.

ich glaube, es gibt eigentlich keinen, der nicht mit seiner seele ein oder auch zwei hühnchen zu rupfen hat.

so nun weiter mit mathe und meinem versuch, meiner eingebildeten schleusenwärterin ein schnippchen zu schlagen.

mein mathe. in meinem tempo.

ich muss sagen: ich bin enorm fleißig. nebenbei mach ich neuerdings (jetzt schon 2 tage lang) sport, und das nicht zu wenig.

wirklich, mit mir ist was passiert seit montag!

gruß

sine

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