13 Mai 2007

selbstmord: zu schwach, es zu verstehen

hallo

erst einmal ein bissle was von mir... dann möchte ich gern nochmal in euren postings rumfuhrwerken.

von mir direkt gibt es jetzt nichts besonderes zu erzählen, außer vielleicht, dass ich ein bewerbungsgespräch hatte und einer problematik begegnet bin, die ich bisher noch nicht so ganz ernstgenommen hatte - die aber wohl dauerhaft da ist und naja, nun hab ich es mal wieder mitbekommen.

ich bin überqualifiziert für einen studentenjob.

der mann, der mich interviewt hat, ist - so meine gefühlte meinung - im zweifel, ob er mir nicht vielleicht ein angebot machen soll, dass ich die stelle seines partners (den er gerade verloren hat wegen unfähigkeit desselben) antrete. gemeldet hatte ich mich aber auf die stelle einer werkstudentin, und die konkretisierung der aufgabe wäre auch normal für einen studentenjob (chauffieren, büroarbeit machen) - aber er hätte gern, dass ich den großen hammer schwinge. er ist mir sozusagen über den weg gelaufen anlässlich einer stellenausschreibung für studententen und jetzt kann er sich aus seiner eigenen verwirrung nicht befreien, dass ich mehr bin als eine studentin.

mein fazit: ich finde das furchtbar.

ich kann es nicht einsehen, dass ein filialenleiter einer firma A) schon bei dem gesuchten studentenjob selbst nicht so recht weiß, ob er nun einen chauffeur sucht oder jemanden für büroarbeit. es waren noch weitere arbeitsfelder im angebot, ich hab jetzt nur mal zwei davon genannt. es KÖNNTE passen, gerade bei einem vielseitigen menschen wie mir *g*, aber hinter diesem "ach jetzt weiß ich gar nicht, was ich ihnen dann davon geben soll" steckt mir eine unsicherheit, die ich nicht mag, weil sie mir am ende auf die füße fallen kann.

B) so schmeichelhaft es auch ist, dass er meint "ich kann mich doch nicht von einer rechtsanwältin herumchauffieren lassen", so nervig ist es, dass an mir zweifel geäußert werden, nur weil ich mich mal für einen studentenjob melde. in dem browsergame (mindkeepers-island.de) hab ich von einem meiner stammesmitglieder *g* als antwort gehört: "wer sich für einen job meldet, der soll ihn auch machen - dieses gerede von 'überqualifiziert' passt dort nicht so ganz". so denke ich auch - wenn ich denn so wahnsinnig der allespeiler bin, dann werde ich doch erst recht verstanden haben (in meinem zarten alter von knapp 37 jahren!), dass ein studentenjob mir nicht das einkommen beschert, das dieser geschäftsleiter sich anscheinend für einen anwalt als angemessen vorstellt. und übrigens hab ich meine zulassung zur anwaltschaft vor 1 1/2 jahren zurückgegeben.

naja

diese bewerbungssache ist eine luftblase. ich glaub nicht - so blöd ich mir dabei auch vorkomme -, dass ich dort arbeiten kann. der filialleiter wird vor mir sitzen und denken, ich bin der dalai lama und die höchste instanz in einer person, und am ende bin ich dann angeblich an allem möglichen schuld.

ist doch eigentlich schön, wenn man einen solchen eindruck vermittelt, oder? *lach*

aber anscheinend appelliere ich bei einigen leuten an ihre latenten minderwertigkeitskomplexe. und das ist wirklich schade.

ja

sehr schlimm war das, was diesem bewerbungsknatsch vorausgegangen ist: von unserem haus ist ein selbstmörder gesprungen.

seit meiner trennung von kand. 1, der mir ja in genau diesem haus gedroht hatte, mich aus dem fenster zu werfen, habe ich ehrlich gesagt schon häufiger mal aus dem fenster geschaut, wenn ich ein geräusch gehört habe: oft habe ich daran gedacht, dass jemand selbstmord begehen könnte. diesmal dachte ich auch, dass es ein selbstmord war, was ich da am letzten sonntag morgen geräuschmäßig gehört hatte am offenen fenster - aber mein blick aus dem fenster ergab kein ergebnis.

später hörte ich die sirenen, die in der nähe von unserem haus verstummten, und da beschlich mich erneut das gefühl, dass ein selbstmord geschehen sein. man überlegt wohl dann noch einen moment, ob man es denn wirklich so genau wissen möchte. aber dann dachte ich, dass ich das geräusch des aufpralls gehört hatte und mir auch die uhrzeit (so wie immer, wenn etwas komisches passiert) gemerkt hatte. ich öffnete mein fenster vom arbeitsfenster weit und beugte mich etwas hervor, und da war dann das opfer. polizei und sanitäter waren auch da, und ich sammelte meinen personalausweis ein und wollte die uhrzeit unten der polizei sagen.

nachdem ich schon in ruhe alles vorbereitet hatte, bekam ich dann beim betätigen des fahrstuhlknopfes eine innere unruhe, die wohl ein schock war.

ich dachte, ich schaff es vielleicht doch nicht - aber dann war es weg und wich einem herzklopfen, das dann auch bald machbar wurde. ich bin außen rumgegangen, denn beim hinterausgang wäre ich direkt in den unfallort geraten.

der junge polizist (oh nein, ich glaub, so langsam wird aus meiner sicht die halbe welt "jung" sein... ) stürzte sich fast in meinen weg, als er merkte, dass ich in die richtung der unfallstelle steuerte und verweigerte mir den durchgang. es lag ein geruch in der luft, den ich als süßlichen blutgeruch und vermutlich fäkalien einordnete. ich war nur froh, dass ich dort nicht nah ran musste - auch wenn das bild, das ich von meinem fenster aus gesehen hatte, schon typisch war für ein selbstmordopfer (unnatürliche körperhaltung wegen gebrochener knochen meine ich), so habe ich ein echtes problem mit blut und eventuellen rettungsmaßnahmen. die kann ich einfach nicht gut ertragen, diese faktoren.

ich hab ihm die uhrzeit gesagt und dass ich vor dem aufprall ein metallenes geräusch gehört hatte.

dann bin ich wieder heim und es war eine schwierige woche, die sich anschloss.

ich hab mich an dem restlichen sonntag an einigen arbeitsaufgaben (und zum beispiel an dem schreiben oben genannter bewerbung) entlang-gehangelt, um nicht in verwirrung zu geraten. wisst ihr, ich hatte das gefühl, auf einer bewegten verwirbelten oberfläche zu sein, und ich hatte irgendwie angst, dass das, was mich oberhalb dieser wirbel und bewegung hält, nicht mehr hält.

am montag beschlich mich lustlosigkeit am studium, ich kam zum ersten mal wieder zu spät zu vorlesungen und habe auch eine oder zwei vorlesungen sausen lassen, die ich allerdings dann auch wieder nachgeholt habe - glaube ich. mir fehlte ein bissle der überblick.

den montag über hatte ich kein gefühl für die uhrzeit - das war zwar auch mal ganz nett, aber es bestärkt das gefühl, dass da etwas das maul aufgerissen hat im inneren und man sich nur wundert, dass man nicht reinfällt in dieses unbekannte. dieses schwarze loch (oder was es war - ich hab lieber nicht drüber nachgedacht...) hatte aber anscheinend schon die zeit eingesogen und auch einige teile meines gehirns lahmgelegt.

tjach

mit monsieur hab ich diesen sachverhalt besprechen können, jeden tag kam aber von mir leider noch etwas hinzu. einiges hatte ich ihm ersparen wollen (er hat geschlafen, als es passiert war, und danach hatte er sich für die option entschieden, erstmal nicht aus dem fenster zu schauen) und somit kam ich noch auf details später zurück, weil sie doch aus mir heraus wollten. einiges hatte ich nicht realisiert und so kamen plötzlich sinnzusammenhänge in mir hoch, die ebenfalls raus wollten - komisch, dass einem der zusammenhang in solchen problemen so stark interessiert. jedes mal, wenn mir etwas deutlich wurde, war es sehr schlimm! aber es gibt auch eine hilfe im verstehen...

schließlich belastete mich am montag, wie dieser blutfleck sich veränderte und ich wusste auch nicht, ob der hinterausgang zu meiden war oder nicht. am dienstag wurde dann gekärchert und ich hab am mittwoch den hausmeistern pralinen geschenkt - vielleicht kein besonders reizvoller anlass, um ausgerechnet pralinen geschenkt zu bekommen, aber das mit dem blut war halt echt nicht machbar gewesen für mich.

der hausmeister hat sich gefreut - und solche reaktionen sind auch sehr hilfreich! da gibt es also leute, die nicht in dauer-ekel verfallen und die die kraft haben, sich sowas reinzuziehen. ich hab überall den blick auf menschen gerichtet, die den vorfall nicht mitbekommen haben (wie schön, wenn man lebendige menschen sieht - vorm brandenburger tor hatten an dem sonntag sogar leute flickflack geschlagen, herrlich lebendig), aber es half mir auch, als die erste blume an der unfallstelle abgelegt wurde.

es hilft mir ungemein, diesen ort doch noch zu betreten - ich gehe manchmal ängstlich vorbei und gehe jetzt öfter durch den vordereingang, doch ich denke, das meiden eines problems macht es nur größer (wegen der phantasie, die halt unendlich ist). dann sehe ich mütter, die mit kindern keine 2 meter an dem fleck vorbeigehen - jetzt ist der fleck auch nicht mehr als blutfleck identifizierbar für diejenigen, die die geschichte nicht kennen.

das ist wunderbar und nicht pervers.

so

und nun ist es wieder sonntag. ich wusste nicht, ob es sinn macht, die geschichte zu verposten, aber ich hab schon noch das bedürfnis.

meiner freundin werde ich es nicht erzählen, wenn sie nächsten donnnerstag mal vorbeikommt. nicht nur, weil es unangenehm ist und sie sich bestimmt ekelt oder fürchtet. sondern auch, weil ich mich frage, wie dieses hochhaus bei fremden menschen bekannt sein kann als selbstmordadresse... niemand soll von dem selbstmord hören, zumindest nicht in zusammenhang mit der realen adresse, denn sonst hab ich hier nolensvolens vielleicht noch weitere kandidaten.

es gab schon selbstmörder, aber bisher hab ich bewusst keine fälle mitbekommen gehabt. im nachhinein fiel mir auf, dass ich schon totenlichter wie jetzt an dem hausausgang gesehen hatte und auch schon den kalk auf einer lache. ich hatte mir dabei irgendwie nichts gedacht.

außerdem - und das ist jetzt wirklich nur geraten und entbehrt jeglicher anhaltspunkte - also: außerdem hab ich in meinem inneren das gefühl, dass meine freundin auch in richtung selbstmord tendiert.

naja

das kann auch wieder fantasie sein - ich könnte sie ja fragen. aber ich bin auch selbst zu schwach, um so etwas zu diskutieren.

gruß

sine

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