30 Juni 2006

von Matilda am 30.6.: UPS

Einmal kommt er eigenlich immer.

Sein bevorzugtes Zeitfenster ist der späte Nachmittag, wenn die meisten schon ans aufhören denken. Vielleicht, weil es ein perfekter Abschluss des Tages ist. Vielleicht hat es aber auch nur zufällig so angefangen, und weil es beiden Seiten günstig schien, ist es so geblieben.
Ich habe ihn von meiner Vorgängerin so übernommen, und ich bin sehr glücklich damit. Ich bin morgens zu nichts zu gebrauchen, während ich gegen Abend immer besser in Form komme. Am Anfang habe ich nicht gross darüber nachgedacht. Aufgefallen ist mir eigentlich nur, dass er immer ein Lächeln auf den Lippen hatte, wenn er kam. Weiter nichts. Ich wollte einfach nur bereit sein, wenn er kam, und damit basta.

Dann, eines Tages, liess er auf sich warten. Angenehm ist das ja nie, erst wundert man sich ein bisschen, dann fängt man an, sich Sorgen zu machen, irgendwann sucht man den Grund bei sich selbst... kurz, ganz wohl fühlt man sich nicht. So schön es auch war, etwas fehlte, und erst da wurde mir bewusst, dass es ein ganz entscheidendes "Etwas" war. Plötzlich erschien es mir, als müsste ich mir seine Zuverlässigkeit verdienen, als hätte ich einen direkten Einfluss auf sein Kommen. Das war ein ganz neues Gefühl, wie gesagt, alles war immer nach dem Muster verlaufen, das eine andere lange vor meiner Zeit gezeichnet hatte.
Ich begann mehr auf meine Kleider und meine Frisur zu achten. Damit will ich nicht sagen, ich sei bisher in Sack und Asche gegangen - mein Spiegelbild hatte einfach nur mir selbst gefallen müssen, die Meinung anderer hatte mich nie wirklich interessiert. Plötzlich dachte ich jedoch darüber nach, ob ihm wohl meine neue Frisur auffallen würde, oder ob er mich lieber in Rock oder in Hosen sah, und dergleichen mehr.

Sein Lächeln war unwiderstehlich, aber ich begann auch auf seine Augen zu achten, und freute mich zu sehen, wie sehr sie dieses Lächeln wiederspiegelten. Mit einem Mal fielen mir viele kleine liebenswerte Details an ihm auf, seine sensationelle Hautfarbe etwa, oder der widerspenstige Haarschopf an der Stirn. Sein Kommen begann meine Tage vollkommen zu verändern: sie gewannen an Wert, wurden farbiger, glänzender.
Dann begann etwas an mir zu nagen. Ich fragte mich, wie es wohl an einem anderen Ort mit uns sein würde. Ich wollte ihn nicht fragen, dazu war ich letzten Endes doch zu schüchtern.
Es lässt mir keine Ruhe, ich denke dauernd darüber nach:

Wie bekomme ich den Fahrer von UPS dazu, mit mir auszugehen???

matilda

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