19 Juni 2006

von Isabel am 19.6.: Fremdeinschätzung versus Selbsteinschätzung

Hallo an alle!

Eigentlich wollte ich ja etwas über gute und weniger gute Studenten schreiben, eigentlich wollte ich vorläufig gar nichts schreiben, denn EIGENTLICH habe ich morgen eine Prüfung, auf die ich mich - eigentlich - freue.

Was komisch klingt. Wer freut sich schon auf eine Prüfung?
Aber ich habe schon so viel Blödsinn lernen MÜSSEN, dass ich mich sehr freue, wenn der Inhalt interessant ist.

Das ist er diesmal.
Es geht um Sozialisation, also etwas was uns alle betrifft und was mein Thema hier ist, wie es scheint. Also dann, die guten und die weniger guten Studenten müssen eben warten.

@sine: ich sag jetzt mal, ich weiß schon, was du meinst. Oder glaube es zumindest zu wissen, und ja: so wie du schreibst:

ich erkenne mich selbst in dir, mach dir keinen kopf, ob ich dich beurteile: nö, ich versuche nur zu verstehen, welche entwicklungen du nimmst und du fällst mir halt in diesen punkten auf (vermutlich WEIL ich es kenne).

So geht und ging es mir mit dir von Anfang an.

Wie ist es, wenn man sich in anderen erkennt? Hat man es gesucht oder wollte man es lieber vermeiden? Fallen einem gewisse Dinge deswegen auf, weil man sie an sich selber vermutet (oder befürchtet) – als Anlehnung an den Hrn Hesse?

hmm ... unterwürfig

Ich musste schmunzeln, als ich das las. Das ist jetzt bitte nicht so zu verstehen, dass ich deine Einschätzung belächle, aber: ich erkenne mich weniger in deiner Einschätzung als eher in der Tatsache, wie du mich einschätzt.

Kompliziert ausgedrückt, das liegt an dem soziologischen Dingern, die ich grad lese.

Ich hatte einmal ein anderes Wort dafür. Es gab da einen (jungen) Mann, der sich sehr um mich bemühte. Er schrieb zweifelsohne die entzückendsten und liebsten E-Mails, die ich je erhielt. Jedes begann mit „meine liebste Isabel .."

Irgendwann platzte mir der Kragen (oder die Hutschnur) und ich schrieb: tut mir leid, was du schreibst, ist nicht authentisch. Es ist überzogen, es ist schleimig, kriechend, es ist hündisch.
Anzumerken ist, dass ich Hunde zwar mag, aber keinen Respekt vor ihrem Verhalten habe. Das schrieb ich ihm aber nicht.

Kurz: Er war tödlich beleidigt, beschimpfte mich und meldete sich nie wieder. Ich hatte erreicht, dass er authentisch wurde. Aber wollte ich das? JAAAA

Liebe sine, ich glaube deswegen, dass ich dich gut verstehe, weil es mir ein Leben lang so gegangen ist: ich war für meine Umgebung viel zu kaltschnäuzig und direkt, viel zu anmaßend und auf gar keinen Fall höflich - im Sinne der anderen.

Wenn man bedenkt, wo ich aufgewachsen bin. Denn hier, so scheint es mir, sind die Leutchen etwas anders. Solche Erfahrungen, wie du in der Schule machtest, kann ich mir hier niemals vorstellen. Man brüskiert nicht, man mauschelt. Man ist charmant und höflich, zu sagen, was man sich denkt, ist nur hinter vorgehaltener Hand erlaubt.
Eine zweifelsohne wenig wünschenswerte Eigenschaft, gegen die ich immer rebelliert hatte, indem ich Integration verweigerte.

Viel Rebellion verbraucht aber viel Energie.

Meine Selbsteinschätzung wäre heute zwischen Höflichkeit und Vermeidung angesiedelt. Wo ich mich wohl fühle, bin ich höflich, da bin ich es auch gern und hoffe auch, genauso auf Höflichkeit zu treffen, wo ich mich nicht wohl fühle, sage ich kein Wort und gehe, wenn es möglich ist.
Das geht aber auch nur, weil ich ein tolerantes berufliches Umfeld gefunden habe und ein Privatleben, das es zulässt, eigenartig zu werden, weil es niemanden gibt, der Anpassung fordert.

Du nennst mich aber unterwürfig, vor lauter Gerührtheit über diese Einladung, hmm ..

Klar frage ich mich, woher dieser Eindruck kommt. Denn meine Intention geht über Höflichkeit nicht hinaus. Vll liegt es daran, dass ich so etwas wie ein wenig ein schlechtes Gewissen entwickelt habe, weil alle anderen beinahe zur Gänze verstummt sind, seit ich hier schreibe.

Und du dich jetzt fast ausschließlich mit mir abmühst.

Wahrscheinlich meinst du jetzt, schlechtes Gewissen hat keinen Sinn (oder es wirkt sogar nur hemmend) und wenn du dir Mühe gibst, dann tust du das ja aus eigener Motivation und nicht aus der Erwartungshaltung anderer.
Das ist geraten.

Zu deiner Bewerbungsgeschichte melde ich mich noch - wenn’s genehm ist
zuvor auch ein Zitat von mir, dass mir im Zuge des Wortes Höflichkeit, das ich jetzt so oft getippt habe, eingefallen ist.

Aber es ist kein Literaturklassiker, sondern etwas ganz Triviales aus der Filmwelt und auch nur sinngemäß.
Eine Definition, was eine Lady (rpktv) Gentleman denn wäre:
Jemand, der dafür sorgt, dass sich eine Lady/Gentleman in seiner/ihrer Gegenwart wohl fühlen.

Zwar ist meine Selbsteinschätzung realistisch genug, um mich selbst niemals als Lady zu fühlen (passt nicht zum revolutiönären Gedankengut), aber die Definition gefiel mir.

Vll kann sie bei euch zumindest ein Schmunzeln hervorrufen.

Einen unterwürfigen Gruß ;-)

von Isabel

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