13 Juni 2006

von Isabel am 13.6.: Studienimpressionen

Grüß euch!

Alle Überlegungen, dass negative Erlebnisse viel einprägsamer sind und breiter im Gedächtnis (als ob sie das verdient hätten) und zu Egoismus und seine gesellschaftliche Interpretation - hab eben deine Stellungnahme im Forum gelesen @sine - versuche ich in Zusammenhang zu bringen mit allem, was mich beschäftigt.

und erzähle mal ein bisschen, falls es interessiert:

Wie es war, als ich beschloss, das Studium meiner Wahl Mitte 30 zu beginnen.

Voraus ging die Erkenntnis, dass ich weder zufrieden sein konnte, noch das Gefühl hatte, (m)einen Platz gefunden zu haben. Es gab da etwas, das unerledigt im Hinterkopf schlummerte. Eben wie diese unerledigten Dinge.

Als ich dann für mich beschloss, endlich das zu machen und das zu tun, was mir am Herzen lag, und sehr euphorisch war und aufgeregt :-)
war es mir gelungen, mit selbsterzeugter Feierlichkeit ein Stückchen Glück zu inszenieren und freute mich so sehr.

Ich tat mir (vll zum ersten Mal?) selbst etwas Gutes, etwas, das ich immer schon tun wollte und war sehr stolz: auf meinen Mut, auf die Courage und auf das Selbstbewusstsein, einfach so und ohne Unterstützung nach einem Stern zu greifen, uiuiui, wie pathetisch das jetzt klingt.

Aber so war meine Stimmung: sehr, sehr rührend. Ich war gerührt von mir selbst:-))

Das war’s aber auch schon, denn niemand teilte diese feierliche Euphorie, eigentlich verstand es keiner, den ich kannte, warum man so etwas denn nur tun könne.

Das schockierte mich und ich war sehr enttäuscht, denn ich dachte damals tatsächlich, ich hätte Freunde, Familie, einen Lebenspartner, die mich verstehen, die sich mit mir freuen, die ähnlich denken (könnten) wie ich, wenn sie es doch nur mal probieren wollen.

Die Reaktionen auf meinen Beschluss kann ich grosso modo in drei Gruppen teilen:

Die Verständnislosen, die Belustigten und die Feindseiligen.

Ad 1: Sie waren entsetzt, warum ich so was machen möchte. Es hätte weder Sinn, noch könne man es kommerziell verwerten (na sicher, man kann ja post 40 keinen neuen Beruf mehr annehmen, DAS GEHT DOCH NICHT bei dieser Arbeitsmarktlage!) und außerdem und überhaupt wäre mein Entschluss so derartig unlogisch, dass es nur mit Hormonen zu erklären wäre. Menopause mit 35?

Weiterentwicklung oder gar geistige Höhenflüge? Die Suche nach interessanter Gesellschaft? Wozu denn das alles, man ist ja schon 35!! (und wird vermutlich bald sterben oder wie auch immer, ich hab’s eh nicht verstanden)

Ad 2: Belustigtes Belächeln, arrogante Anmaßung über mich und meine Wünsche zu urteilen.
Es wäre einfach nur lächerlich, sich mit 20-Jährigen in die Schulbank zu quetschen und mit ihnen mitzukichern.

Ad 3:
Der rigorose Versuch, sich Mitten im Leben zu verändern, muss einen Grund haben, natürlich keinen guten und keinen nachvollziehbaren.
d.h.: entweder habe ich jemanden kennen gelernt (also wäre die Ankündigung, auf die Universität zu gehen, nur ein Vorwand, um eine außereheliche Affäre zu vertuschen)

???

oder, wenn ich das wirklich mache, dann wäre ich ja so was von egoistisch! Der arme Mann, die arme Firma (die dem Mann gehört), der arme Haushalt, alle wären ja so arm, weil ich doch viel mehr Zeit für mich und weniger für die anderen verbrauchen würde!

Die armen Studenten! (Die "richtigen" Studenten, die erst noch eine Berufsausbildung brauchen), denen nehme ich doch nur einen Platz weg! Und das heutzutage, wo eh so wenig Studienplätze und so gar keine Arbeitsplätze für junge Leute da wären! Was bin ich doch für ein Egoist! Was bin ich überhaupt für ein schrecklicher Mensch?

Inzwischen habe ich diese Menschen alle geistig archiviert, also ad acta gelegt.
Ihre Reaktionen hätte ich bestaunt, begutachtet und als "interessant" abgelegt. Als Studienobjekt: neutral, gegenständlich, unpersönlich.

Es fiel mir anfangs nicht ganz leicht, mich von diesen Menschen emotional zu lösen, sie waren mir lange Zeit Begleiter. Die falschen, offensichtlich.
Dass es sein kann, dass man zeitlebens sich einfach nur mit den Falschen abgibt, ohne es zu merken?

Diesen Anfeindungen und Widrigkeiten zum Trotz hielt ich an meinen Plänen fest, sie waren mir so wichtig.
Sicher gab es seither sehr oft Phasen, in denen ich mich fragte, ob der eine oder andere nicht doch Recht gehabt hätte und es einfach nur dumm wäre, sich so sehr zu widersetzen.

Die Zweifel kommen immer wieder, vor allem dann, wenn ich etwas nicht verstehe oder einen ganz anderen Zugang habe als die anderen, die "richtigen" :-) Studenten oder wenn ich auch auf der Uni angefeindet werde (was aber zum Glück selten vorkommt).

Doch dann gibt es diese Momente, wenn eine Arbeit besonders gut glückt oder wenn sich dieses AHA-Erlebnis einstellt, wenn ich einen Text, eine Theorie, die ich früher als "viel zu schwierig" weggelegt hätte, tatsächlich verstanden habe.
Das gibt einen Endorphin-Schub, der alle Zweifel wieder wettmacht.

Soweit zur Selbstmotivation, denn ich bin wieder mitten in den Prüfungsvorbereitungen, nächste Woche geht's los.

Euch noch alles Beste und liebe Grüße!

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