10 April 2007

von Matilda am 10.4.

liebe sine,

deine gründe für den besuch bei muttern kann ich sehr gut nachvollziehen. wie es dir dann dort ergangen ist, ehrlich gesagt, auch. was ich aber am zutreffendsten finde in deinem post ist dieser gedanke, der auch durch meinen kopf (und meine therapie) schwirrt, und den in worte zu fassen mir bloss nie gelungen ist, nämlich:

mir wurde klar, dass ich verdammt große anstrengungen unternommen hatte in meinem leben, um entweder gegen meine eltern zu rebellieren oder um mich anzupassen oder um einen alternativen lebensentwurf (alternativ zu dem, was meine eltern wollten) zu verwirklichen. aber seit beginn meiner therapie hat die reise ein ende. das davonrennen und wieder-annähern an meine eltern... es ist nicht vorbei, aber so langsam ist es auf eine andere ebene gekommen und ich glaube, eines tages (und wenn ich ehrlich bin: hoffentlich bald) werden meine bemühungen nicht mehr immer und immer wieder zu meinen eltern hinführen, sondern an ihnen vorbei.

konkret gesagt: ich hatte plötzlich die eingebung, dass meine therapie und alles, was seither gewesen ist, mir den willen gegeben hat, mich nicht mehr anzupassen, sondern mein eigenes wohl zu suchen.

genau das ist es, was ich auch erreichen will: mein eigenes leben leben. wobei ich das ihre immer wieder berühren werde, jedoch ohne dass die beiden untrennbar ineinander fliessen.

das ist es doch schliesslich, was unsere eltern uns geben: ein eigenes leben. und ich erachte es geradezu als pflicht, meines in allen einzelheiten, mit schönen und schwierigen momenten, aber stets zu 100% zuzulassen, auszukosten, zu er-leben. ohne andauernd auf den segen meiner eltern zu warten (oder eben auf ihre kritik). das klingt alles so natürlich, ist aber verdammt schwierig, finde ich. und ebenso wie du bin ich auf der reise, das heisst, manchmal geht es schneller vorwärts und manchmal stehe ich im stau. aber zumindest weiss ich endlich, wo ich ankommen will, und lasse mich auch durch pannen nicht mehr von meinem ziel abbringen.

was hingegen die therapie betrifft: mein therapeut hat mich gott sei dank noch nie dazu aufgefordert, mit irgendwas auf ein kissen einzuschlagen: ich fände das ehrlich gesagt sehr befremdlich, das ist so gar nicht meine art, agressionen los zu werden. ich tanze lieber ;-)... verunsichert bin ich eigentlich nicht, sondern felsenfest davon überzeugt, das richtige zu tun, unabhängig davon, wie es gerade läuft oder welche wirkung es auf mich hat. es ist nur so, dass ich natürlich auch seiten an mir entdecke, die ich lieber nicht hätte. daran habe ich manchmal arg zu beissen. ich hatte zum beispiel vor etwa 6 wochen entdeckt, dass ich vollkommen unfähig bin, NEIN zu sagen und für meinen willen einzustehen. aus angst vor zurückweisung, aus angst vor dem allein sein, aus angst, die falsche entscheidung zu treffen. diese angst, bzw. die daraus resultierende unfähigkeit (die in einem unglaublichen kontrast zu meiner karriere, meinen erfolgen, meiner entschlossenheit steht) war der grund für ein riesiges und ziemlich schweres bündel ballast, das ich jahrelang mit geschleppt hatte. vor elf jahren zum beispiel endete eine langjährige beziehung, die eigentlich in eine märchenhochzeit hätte münden sollen, in einem gefühlstechnischen disaster. zu erkennen, dass meine unfähigkeit lieben menschen jahrelang kopfzerbrechen, herzschmerzen und grobe selbstzweifel beschert hatte, und mir die wachsende überzeugung, beziehungsunfähig zu sein, war bitter. aber der daraus resultierende willen, endlich was zu ändern und das alles zu klären, an den passenden stellen um verzeihung zu bitten und an anderen einfach geradeaus weiter zu gehen, ohne irgendwelche falsche rücksichten, war ungeheuer befreiend. das meine ich mit reinigender wirkung, und es gibt unzählige beispiele.

heute bin ich sonniger, bestimmter, selbstsicherer. das strahle ich offensichtlich aus, was wiederum mein soziales umfeld positiv beeinflusst, was mir wiederum sicherheit im umgang mit meiner (nicht präsenten) mutter gibt, was sich positiv auf mein wohlbefinden auswirkt, usw, usf. manchmal heule ich in der therapie wie ein springbrunnen, manchmal bin ich noch tagelang aus dem gleichgewicht (nicht gerade krank und arbeitsunfähig, aber halt ein bisschen verwirrt), aber das endergebnis ist durchwegs positiv, finde ich. und zwar für MICH.

herzlichst,

matilda

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