09 April 2007

leben ohne mutter lernen

hallo!

@Matilda: wie es dazu gekommen ist, dass ich zu meiner mutter fahre?

weißt du, der elementare nachteil an der abstinenz von meiner mutter war, dass sie für mich unerreichbar war. das klingt jetzt albern, ich weiß. ich hatte aber nunmal das gefühl, als wäre sie gestorben - es war eine sehr perverse situation für mich. denn ich hatte sie geistig "sterben" lassen für mich, und das kann ich meinen eltern nicht ohne weiteres antun.

es berührt mich immer noch sehr, dass mein vater tot ist. im fernsehen heule ich immer noch bei so ziemlich jeder todesszene, obwohl es nicht mehr das "abheulen" ist, sondern nur noch ein "mitheulen". also damit will ich sagen, dass bis vor kurzem die gelegenheiten, wo ich heulen konnte (also z.b. bei todesszenen im tv), mir eine last genommen haben und ich mit meinen tränen etwas rausgelassen habe, was mir zu viel war. jetzt ist es nicht mehr so, dass mich das heulen erleichtert, aber das berührt-sein ist noch sehr stark.

ja, und somit ist es schon sehr heftig für mich gewesen, als ich gemerkt habe, dass das ignorieren meiner mutter für mich dieselbe bedeutung (und dasselbe gefühl) hatte wie ihr tod.

ich hab sie trotzdem ignoriert. wir - meine mutter und ich - waren ja so ein bißchen verabredet für märz... sie wollte mal "so richtig" mit mir reden, und ich hab vollmundig "ja, das machen wir, wenn ich wieder in berlin bin" geantwortet. ich hab mich dann aber im märz zunächst auch nicht gemeldet - ungeheuerlich für meine mutter, da sie ja schon an mich gedacht hat in dieser zeit.

dann rief ich sie aber an, denn auch wenn ich hoffte, um unser tolles wiedersehen im märz herumzukommen, so wollte ich sie dennoch an ihrem geburtstag am 8. april wiedertreffen. ich wollte dazu auch zu ihr hinfahren! es ist schon so, dass es eben wirklich ganz ätzend ist, wenn alles, was mit meiner mutter zusammenhängt, plötzlich für mich nicht mehr existiert. das bezieht sich auch auf unseren dackel (superdog!!!) und auf die wohnung in bs.

im gegensatz zum realen tod habe ich die chance, mir diese welt nochmal anzuschauen, sie sogar zu erleben. und der geburtstag meiner mom ist auch ein formaler zeitpunkt - ich hoffte, dass ich damit das ruder nicht gleich wieder aus der hand geben würde, was unser emotional äußerst unerfreuliches miteinander angeht.

ich hab keine ahnung, ob ich das ruder noch in der hand halte... es war grauenhaft, und der klopper ist, dass es in der folgenden zeit bis zu meinem geburtstag (ende mai) kaum ein wochenende geben wird, an dem meine mutter NICHT in berlin sein wird.

sie hat sich in ihrem hohen alter (meine mutter ist pensioniert) eine ehrenamtliche tätigkeit ausgesucht und sich da sehr schnell in richtung vorstandsmitgliedschaft vorgearbeitet. jetzt strebt sie einen vorstandsposten in bs an und will auch noch zu irgendeinem mitglied des bundesvorstands gewählt werden - der bundesvorstand hat seinen sitz natürlich in berlin.

daher eiert sie dauernd auf kosten der altenhilfe-organisation, wo sie in der beschriebenen art so fleißig mitmischt, nach berlin. sie lechzt nach anerkennung, sie mag es, eine selfmade-frau zu sein - und in ihrer impulsiven art wird sie nun dauernd hier anrufen und fragen, ob ich mal ein stündchen zeit für sie habe!

*arrrgh!*

ich kann auch nochmal langsam erläutern, wie es war, wie sich alles entwickelt hat - und ich denke, eine chronologische und detaillierte erklärung ist eigentlich auch notwendig, um den neuesten auftritt meiner mutter in meinem leben (und umgekehrt) zu beschreiben. denn es ist immer noch so, dass keine überschrift gefunden werden kann (von mir jedenfalls nicht!), die unser wiedersehen zusammenfassen oder zumindest andeutend beschreiben könnte. es ist immer noch so, dass meine mutter vor unlogik strotzt, es ist immer noch so, dass ich ihr nicht glaube, dass sie ein echtes interesse an mir hat (nicht, dass es darauf ankäme - aber es wäre schön, wenn ich wüsste, dass sie KEIN interesse hat! denn dann könnte ich daraus auch meine folgerungen ziehen und mich entsprechend verhalten.). es ist alles eine katastrophe von vorn bis hinten: es gab peinliche momente, sie hat mir die geschichte mit ei aus der nase gezogen (andere dinge, die ich wirklich nicht mit ihr diskutieren wollte, konnte ich hingegen zum glück aus dem gespräch fernhalten). es gab nette momente, aber ich KANN SIE NICHT ANSEHEN, ich find sie furchtbar und ätzend und alles hat mich belastet.

wenn ich sie ansehen würde, müsste ich ihr sagen, wie ich dinge finde und was sie alles mit MIR nicht machen kann - aber leute!!! das HABE ICH IHR SCHON 100 oder sogar 1.000 mal gesagt! der wahnsinn ist doch, dass sie mich nicht versteht, dass sie mir dinge unterstellt (z.b., dass ich ihr mit meinen abgrenzungsversuchen nur wehtun will und undank und unartigkeit beweise), dass sie (auch im guten, nicht nur im bösen) dinge kleinredet, die mir wichtig sind, und andere dinge vorschlägt, deren ablehnung durch mich sie mit einer so großen ungläubigkeit quittiert, dass ich ausrasten könnte!

ähm

also sitz ich da und wundere mich, dass es so schlimm ist.

ich werde also lieber nicht die sachen erzählen, die mal wieder alle geschehen sind und auch nicht mein erstaunen äußern, dass einige dinge, die ich dann auch noch erwartet hätte, ausnahmsweise mal nicht geschehen sind, wohingegen andere sachen, die ich längst vergessen hatte, wieder präsent waren...

es gab aber etwas, das mir aufgefallen ist:

ich hatte eine gewisse distanz. diese distanz war etwas, was mir den blick für etwas geöffnet hat, was ich aus der ferne und ohne die konfrontation mit meiner mom bisher noch nicht erkannt hatte: mir wurde klar, dass ich verdammt große anstrengungen unternommen hatte in meinem leben, um entweder gegen meine eltern zu rebellieren oder um mich anzupassen oder um einen alternativen lebensentwurf (alternativ zu dem, was meine eltern wollten) zu verwirklichen. aber seit beginn meiner therapie hat die reise ein ende. das davonrennen und wieder-annähern an meine eltern... es ist nicht vorbei, aber so langsam ist es auf eine andere ebene gekommen und ich glaube, eines tages (und wenn ich ehrlich bin: hoffentlich bald) werden meine bemühungen nicht mehr immer und immer wieder zu meinen eltern hinführen, sondern an ihnen vorbei.

konkret gesagt: ich hatte plötzlich die eingebung, dass meine therapie und alles, was seither gewesen ist, mir den willen gegeben hat, mich nicht mehr anzupassen, sondern mein eigenes wohl zu suchen.

ich muss zugeben, dass es gerade an dieser erkenntnis ganz stark kratzt, wenn meine mutter dieses wochenende wieder so über meine prinzipien hinweggewaltzt ist und mich so vereinnahmt hat. aber es bleibt ein gedanke bestehen, der nun einmal schwach ist, aber vielleicht wächst er ja noch. und dieser gedanke ist, dass ich nicht mehr in dieser welt umherirre, um entweder von meinen eltern davonzulaufen oder um es ihnen recht zu machen.

tjach

so viel dazu *g*...

ich habe übrigens in meiner therapie auch immer das gefühl gehabt, dass die therapiestunden klärend waren (nicht alle, aber bestimmt die allermeisten).

Matilda hat geschrieben:
trotzdem haben die gespraeche mit meinem therapeuten eine reinigende wirkung.


ich fand dennoch nicht, dass die therapie anstrengender war als andere gedanken, die ich damals hatte. damit möchte ich sagen, dass die angst, dass eine therapie ja sooooo anstrengend ist, nicht berechtigt ist. natürlich IST eine therapie etwas anstrengend, ja, aber das, was man mir erzählt hatte - dass man tagelang nicht mehr arbeiten kann manchmal oder dass man erstmal vielleicht krank wirrd -, ist nicht eingetreten.

ich habe mich übrigens bei meinem therapeuten auch nicht selten geschämt. er hatte so komische ideen manchmal. er wollte beispielsweise, dass ich meine hemmungen und meine inneren anspannungen verliere, indem ich mit einer bestimmten (weit ausholenden) bewegung mit einem gedachten schwert in ein kissen haue. das kissen legte er mir auf den fußboden und gab mir einen hölzernen stock. ich hab es ausprobiert - denn wer um rat fragt, muss auch rat annehmen können.

aber dann hab ich ihn gebeten, das nicht nochmal von mir zu fordern.

wir haben es dennoch nochmal gemacht, weil er mich so gebeten hatte, aber dann war es endgültig vom tisch. ich habe gesagt, dass ich seine therapie sehr schätzen würde, aber dass ich es abbrechen würde, wenn er behaupten wollte, das einschlagen auf ein kissen sei ein notwendiger therapieteil (ich hab hinzugefügt, dass ich die schlagende und aggressive bewegung in einer umgebung, in der ich mein innerstes preisgebe, nicht für angemessen erachte und dass ich nicht zum kämpfen hergekommen sei).

es gab noch mehr so aktionen und ich war damals sehr verunsichert.

das war aber auch schon alles, was mich verunsichert hat in der therapie!

Matilda hat geschrieben:
es geht mir gut damit. nicht, dass es leicht fallen wuerde, langsam geht es ans eingemachte, das kann schon auch mal bitter sein.


was verunsichert dich, matilda?

oder verstehe ich jetzt etwas falsch...?

cu

sine

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