10 April 2007

brabbelnd auf der höhe

hallöchen

hm matilda... das klingt super. ich hab nun bestimmt nur eine höchstpersönliche erfahrung gemacht mit meiner eigenen therapie, aber ich interessiere mich dennoch auch für andere, die eine psychotherapie machen. zumindest so lange, wie ich noch mitdenken kann - es gibt bestimmt menschen, bei denen ich nichts verstehe, wenn sie von ihrer therapie erzählen (hab ich auch schon kennengelernt... hatte allerdings den leisen verdacht, dass es nicht allein an mir liegt, dass ich nichts kapiert habe, sondern dass die betroffenen sich vll. nicht in die therapie wirklich hineingeben wollten und entsprechend verwirrdendes und die innere ablehnung widerspiegelndes zeugs erzählten).

bei dir kann ich bisher gut mitdenken, und ich erinnere mich, wie erstaunlich auch ich es fand, dass die teilweise grausamen wahrheiten doch so erleichternd sein können.

du hattest geschrieben:

ich hatte zum beispiel vor etwa 6 wochen entdeckt, dass ich vollkommen unfähig bin, NEIN zu sagen [...]. [...] die daraus resultierende unfähigkeit (die in einem unglaublichen kontrast zu meiner karriere, meinen erfolgen, meiner entschlossenheit steht) war der grund für ein riesiges und ziemlich schweres bündel ballast, das ich jahrelang mit geschleppt hatte. [...] zu erkennen, dass meine unfähigkeit lieben menschen jahrelang kopfzerbrechen, herzschmerzen und grobe selbstzweifel beschert hatte, und mir die wachsende überzeugung, beziehungsunfähig zu sein, war bitter. aber der daraus resultierende willen, endlich was zu ändern und das alles zu klären, an den passenden stellen um verzeihung zu bitten und an anderen einfach geradeaus weiter zu gehen, ohne irgendwelche falsche rücksichten, war ungeheuer befreiend. das meine ich mit reinigender wirkung, und es gibt unzählige beispiele.


ja ich erinnere mich auch, dass ich daran zwei dinge bestürzend fand (also ich meine: so ähnliche einsichten gab es bei mir auch): ich fand es bestürzend, dass ich OHNE ES ZU MERKEN menschen verletzt hatte und ich fand es bestürzend, dass ich nicht selbst darauf gekommen war und mir ein fremder mensch (mein therapeut) eine so einfache beschreibung meiner vergangenheit eröffnen musste.

ich muss sagen, dass ich dann allerdings irgendwann auch danach zu lechzen anfing, dass mein therapeut mir die kehrseite meiner selbstwahrnehmung vor augen führte. ich war teilweise sehr unzufrieden, wenn das dann wochenlang nicht mehr geschah und empfand die therapie in solchen friedlichen therapiesitzungen als verlorene zeit.

insbesondere fragte ich mich auch dauernd, wie zum henker ich solche selbstverarschungen in zukunft vermeiden könnte und brachte damit meinen therapeuten auch öfter zum grinsen, weil ich ihn genau das gefragt habe. es tut ungeheuer gut, dass ein therapeut dann eben anders reagiert als ein normaler gesprächspartner. mein pt hat nicht die schultern gezuckt und er hat auch nicht behauptet, es gebe einen trick, um diese inneren konflikte sauberer und vor allem verletzungsärmer zu lösen. ich glaube, er hat mir vermittelt, dass man eben nur selten über seinen tellerrand hinausschauen kann und dass man gut daran tut, das leben einfach zu leben.

ich sage "ich glaube...", weil mein therapeut gerade die auflösungen von meinen inneren rätseln in der schwebe gehalten hat. alles sollte noch wandelbar sein, keine erklärung sollte die endgültige sein.

ein großes thema waren auch die lieben schuldgefühle. was du gesagt hast über das "nicht-nein-sagen-können", matilda, ist ja ein fall von schuldgefühlen, oder?

ich bin halt mehr der aggressive typ gewesen (und vielleicht bin ich es ja immer noch *g*) und mir war klar, dass menschen sich wehtun. ich bin selten der ansicht gewesen, dass menschen sich grundlos oder aus dummheit oder lust (alleine) wehtun, und ich habe schon immer gedacht, dass die "nebenwirkungen", die menschen auf mich selbst haben, wenn sie unangenehm sind oder sogar verletzend, normal sind.

mein problem war eher, dass ich auf gewisse weise dauernd verzeihend durch die welt gegangen bin und alles leid der anderen für normal, ja sogar für besonders interessant gehalten habe.

der für mich absolut rätselhafte spruch meines therapeuten war dann auch immer wieder, dass ich "gutes" nicht annehmen könnte. mal behauptete er dies (was ja nicht so gut ist in einer therapie, wenn der pt feststellungen tätigt, oder wie denkst du?), mal fragte er mich, und immer guckte ich wie ein auto und verstand nicht, was er meinte.

ich glaubte einfach so felsenfest, dass man sich abgrenzen müsse und dass es ein rezept gebe, das alle (!) menschen kennen würden nur ich nicht, WIE man sich korrekt abgrenzt, also das war mein glaubenssatz und ich hab mich kaputtgemacht damit, dass ich etwas zu lernen versucht habe (nämlich das abgrenzen) und nicht die voraussetzungen (nämlich ein glückliches inneres) gesucht habe.

wenn du schreibst:
dieser gedanke, der auch durch meinen kopf (und meine therapie) schwirrt, und den in worte zu fassen mir bloss nie gelungen ist


... muss ich zugeben, dass es auch für mich ein griff in den nebel war und immer wieder mal sein wird, einen gedanken zu formulieren wie diesen.

wenn der gedanke dann DA ist, dann ist es einfach, nicht wahr (wobei ich fürchte, man kann gedanken auch wieder töten... aber immerhin sind gedanken, die da sind, erstmal lebendig). wenn nämlich der gedanke da ist, geschieht es so leicht wie wenn sich öl und wasser trennt, dass wir verstehen, was wir uns (und ggf. auch anderen) früher angetan haben und was davon eine sackgasse war und was nicht.

aber die gedanken, die solche reinigenden klärenden wirkungen haben, sind äußerst schwer zu finden. als ich meinen gedanken zu meiner mutter formuliert hatte, war er schon wieder fast verdampft! wie schnell kehren die glaubenssätze, die gedanklichen tretmühlen und hauseigenen folterwerkzeuge in mein gehirn zurück, unglaublich, sie schleichen sich herein und es bleibt GAR KEIN platz mehr für meine hilfreichen gedanken häufig.

wenn (!) ein gedanke da ist, dann wird das, was der selbsterkenntnis entsprechend neu eingeordnet werden kann, so glasklar, dass man sich komischerweise nicht mehr richtig daran erinnern kann, was man früher mal anders hatte verstehen können. also gibt es auch hier eine starke vergessensdroge... *g*

ich muss schon stark grübeln, um meine quantensprünge meiner therapie noch wenigstens zum teil darstellen zu können! ich erinnere mich gar nicht mehr an den gedanklichen knoten, der mir meine gefühle und meinen verstand eingeschnürt hatte, ich weiß nur noch, dass ich mich bei dem erkennen immer gewundert habe, wie einfach das verstehen doch ist... wenn... ja wenn was? bei mir fehlte IMMER nur eine sache: selbstliebe.

ein blödes wort

bennennen wir es anders: sagen wir, dass es mir fehlte, energie in mein eigenes ich zu setzen.

klingt immer noch blöde, aber nicht mehr so fürchterlich altbacken wie das wort "selbstliebe".

^^

immer, wenn ich einen gedanken gefasst habe, kam ich mir wie ein schüler in der ersten klasse vor. es gab absolut nichts, was ich noch sicher wusste, immer war alles rätselhaft - und natürlich (!) gab es auch immer noch den unterschwelligen glauben, es gibt ein rezept, eine feststehende wahrheit.

ich denke, ohne den glauben an ein kochrezept kommt der mensch mit den geistig-emotionalen und geistig-philosophischen fragen auch nicht voran.

dem stufenweisen verstehen, dem ausruhen auf einer kleinen klippe auf dem anstieg zu uns selbst und dem geniessen der immer schöner werdenden aussicht steht gegenüber, dass alles, was wir heute noch wissen, morgen schon wieder anders aussehen kann.

veränderung und mut ist notwendig, und du hast recht, matilda, wenn du den mut und die freude wahrnimmst, die uns komischerweise "geschenkt" wird.

thema "geschenkt":

ich mache gerade mein zweitstudium. meine mutter hatte es im letzten winter ausgesprochen, was das vernichtendste urteil über mein aktuelle lebenssituation für mich sein konnte. sie sagte, dass ich zu alt sei, dass ich mich dauernd jünger zu machen versuchte, naiv sei, dass ich mit dem studium nur eine unsinnige verdoppelung meiner ausbildung anstreben würde, dass ich falsch sei.

ich mache gerade mein zweitstudium. meine kollegen und meine vorgesetzten, und vor allem auch wildfremde menschen sprechen mich genau darauf an und sehen ernsthaft erstaunt oder auch bewundernd aus. sie sagen, dass es schon super zusammenpassen würde, dass ich juristin sei und sechs jahre im beruf gestanden hätte. dass ich jetzt noch ein zweitstudium machte. dass ich das unbedingt fertigmachen müsste.

vorher hatte ich nichts - ich hatte die dauernde kritik meiner mutter UND die kritik von außen. JETZT, wo ich etwas versuche und etwas wage - und zwar etwas, was (fast) ausschließlich zu meinem eigenen (!) vergnügen gedacht ist - sagen mir alle (bis auf meine mutter), dass es so "schon richtig" sei und geben mir gute wünsche und einfach ihren guten glauben mit.

ich frage mich, wie ich mein leben leben konnte ohne diese unterstützung durch die ganze welt.

*lach*

die sonne scheint oft so berauschend schön. ich habe so viele "lieben" begonnen in meiner umbruchphase (liebe zu blumen, liebe zu wasser, liebe zu wind und liebe zu dieser stadt), ich weiß manchmal (so ähnlich wie du vielleicht) nicht, wohin mit den gefühlen und bin zum beispiel manchmal richtig verlegen auf unserem wochenmarkt, weil mich dann so viele herrliche blumen angucken.

he

natürlich hab ich nicht jeden tag einen blumenflash und die sonne schien jetzt auch mehrere tage am stück GAR NICHT.

ich vergesse dann auch tatsächlich meine neue empfänglichkeit für den reiz der sonne oder welcher "liebe" auch immer. aber kaum scheint die sonne wieder, kaum springt eine blume in mein blickfeld, schon ist es da und es hat eine schockartige wirkung!

so

wenn du und ich, matilda, so weiter machen, werden wir vermutlich bald zwei brabbelnde frauen auf einem stein werden, die dauernd sagen, wie glücklich sie sind.

aber so ist es halt und mir ist lieber, ich werde schrullig, als umgekehrt, wo mich alle schrullig FANDEN, obwohl ich es (meiner meinung nach) gar nicht (!) war.

bäh... jetzt muss ich meinen schreibtisch aufräumen. hm. aber die sonne ich rausgekommen.

hm

jetzt noch ne blume, und ich bin high? nein, leider nicht. ich muss mich immer noch durch die täler des lebens graben... aber es kommen zum glück danach auch höhen.

gruß

sine

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