15 März 2006

romantik und authentisches leben mit und ohne klamotten

ach mensch para, ich hatte eigentlich den wunsch, du würdest mal dick deine geschichte mit der arbeit und so weiter erläutern. naja, der blog hat die unter-überschrift "eine problemlösungshilfe". da steht doch nicht "Meine (!) problemlösungshilfe"!

:-)

also

nagut, erstmal aber das für mich derzeit auf einmal etwas tricky erscheinende thema liebe.

"romantische liebe" ist für mich ein begriff, den ich in dieselbe kategorie einordne wie du, wobei aber "vom winde verweht" eine (für mich) nicht lebenswerte überstarke romantik darstellt. aber die schublade ist dieselbe.

es ist die schublade mit... ups! meine romantik-schublade ist verdammt leer...! *gg*

monsieur und ich witzeln immer, wir seien soooo romantisch. *lach* da wir uns teilweise mit äußerst weltlichen themen wie unseren gegenseitigen befindlichkeiten und körperlichen wehwehchen (und gelüsten) beschäftigen, würden wir aber entweder (teilweise natürlich nur... *hüstel*) vom wortschatz unserer häufigsten gespräche her in eine schulklasse voller kleiner rowdies passen (die ja meiner erinnerung nach ebenfalls ausgiebig von pupsen und ähnlichem herumerzählen). das ist zwar sicher nur eine phase und wird einfach einer neuen phase weichen eines tages, aber bisher ist es witzig und dann darf es auch witzig SEIN.

ganz am anfang (o.k., also bestimmt das erste halbe jahr oder so) haben wir uns auch sehr rational mit gedanken über unsere gefühle und unsere erfahrungen befasst. ich hatte ja noch einige bücher am wickel (bieri, pierrakos, fromm...) und monsieur hatte ja alle 13 bücher (oder wieviele...?) von herrn fromm gelesen und war nach wie vor mit deren einordnung und deutung beschäftigt teilweise. damals haben wir uns scherzhaft "intellektuell" genannt.

ich glaube fast, das romantisch an dieser beziehung ist, dass wir es mit humor nehmen. dieser humor ist also die romantik. damit meine ich, dass alles getragen ist von einer übereinstimmung (fast: gewissheit), dass sich alles entwickelt und dass alles auch sehr ernst und auch gerne anders als erwartet sein kann, unsere beziehung ist von güte getragen, würde ich sagen.

Die Romantik hingegen, sich bei einem Sonnenuntergang (dem ich sehr gerne zusehe) mit gegenseitig mit Dackelblick stundenlange Liebesbeteuerungen zukommen zu lassen, ist allerdings nicht mein Ding.


hmm... doch. ich habe allerdings eine romantik in mir, die ich auch ohne dackelblick empfinde. damit meine ich, dass ich bei einem sonnenuntergang am meer (*schmelz*) genauso romantisch "einraste", wenn ich alleine (brr... oder sogar in gesellschaft meiner mutter) bin wie wenn ich dort mit monsieur wäre.

mein monsieur hat auch so phasen, da ist er ganz ernst und sagt mir, dass er mich liebt. er schaut mir dann in die augen, und sein blick erscheint mir immer so, als würder er durch meine augen hindurch sehen. was er da sieht... *gg* ... weiß ich natürlich nicht. ich finde, es ist erlaubt, dass es solche undefinierbaren momente gibt und ich betrachte sie als etwas gutes. ich selbst habe "liebesanfälle". da stürze ich mich auf ihn und verkündige dann zwischendurch, dass ich einen solchen liebesanfall hätte. dann hab ich narrenfreiheit und monsieur spielt gerne mit, und das finde ich sehr romantisch.

hm

Ich empfinde es als einen sehr großen Vorteil des Älterwerdens, dass sich Dinge relativieren. Dazu gehört auch die Vorstellung, die man über die Liebe hat.


ja da hast du vollkommen recht. die absolutheit des kummers FRÜHER war eingebildet und hing natürlich damit zusammen, dass erfahrung fehlte. ich tue meinen teenagerschmerz nicht ab, ich versuche im gegenteil mir immer vor augen zu halten, dass ich es nicht besser wissen konnte damals und automatisch bin ich dann ungefähr so erleichtert wie du, dass es vermutlich so schlimm nicht mehr werden wird.

aber meine letzte ohnmächtige verzweiflung hatte ich vor 2 1/2 jahren mit kand. 1. und davor hatte ich ehrlich gesagt auch teilweise mit mir und mit meinem leben manchmal abgeschlossen. für mich bedeutet älterwerden auch, dass man in "unbekannte gewässer" segelt und darin umkommen kann. unsere - oder zumindest meine - feinde heißen nicht mehr 'unwissenheit' (wobei dieser feind noch auftaucht manchmal, aber er ist kleiner und unwichtiger geworden), sondern 'depression', 'finanzielle not', 'irrtum' und 'falsch verstandene loyalität' (bzw. 'unauthentisches leben').

mit letzterem meine ich zum beispiel die schwarzen stellen auf meiner seele, die mich in meiner therapie beschäftigt haben (und davor und danach natürlich auch...).

hey, ich sitz jetzt schon den dritten tag mal wieder an meinen kanzlei-sachen. und immer mehr frage ich mich, wie unendlich schwierig mir die arbeit damals immer gefallen ist und welcher kleine teufel mir immer die sporen gegeben hat, sie trotzdem zu tun!

ich hatte mir so sehr gewünscht, meine kanzlei- (und sonstige) arbeit ohne zwang zu tun. das führt dazu, dass ich JETZT auch nicht so rasig einfach einen zugang zu der arbeit finde. sie geht mir intellektuell teilweise immer noch gut von der hand, aber im herzen sträubt sich einiges! und jetzt sind es eben auch die erinnerungen, die trostlosen morgende, die ich dann irgendwie zur selbstmotivation benutzt habe (sonst wäre ich ja nie los zur arbeit gegangen), der angstanfall, der mir jeden bitteren morgen mein herz ins rasen gebracht hat. dem steht JETZT gegenüber, dass ich mich selbst abwickle. ich tue alles, was ich für die kanzlei tue, u.a. auch, damit ich es beenden kann.

es gibt noch andere dinge, die ich gleichzeitig mit dem beenden erledige bzw. zu erledigen versuche, wenn ich meine kanzlei-arbeit mache.

und dazu gehört eben besagtes "nicht-zwingen" und "authentisch-leben".

back to the psychotherapie-topic... *gg*: ich denke jetzt, ich habe mich gottverdammt TIERISCH angepasst, als ich juristin war. und zwar nicht, wie meine mutter ja immer in mich reinoktriniert hatte, an die gesellschaft und an das erwachsensein, sondern... ich hatte mich an IHRE denke angepasst!

es gabe vorgestern ein gespräch mit monsieur, das eigentlich eine art frust-abladen hätte sein können. er hat mir erzählt, dass seine mom ihm einmal zu fasching ein clowns-kostüm angezogen hatte, das er nicht wollte. er meinte, dass es damals psychische not für ihn bedeutet hätte, damit auf der kinderfaschingsparty aufzutauchen und dass es für ihn in bleibender erinnerung sei, wie er sich damals gefühlt hatte.

ich konnte da prima einstimmen, denn ich hatte immer als indianer - kompromisshalber auch als cowboy - gehen wollen, aber meine mom hat mir alles mögliche angezogen, nur das nicht! als höhepunkt meiner gefühle durfte ich als squaw gehen, da war ich schon recht "alt" für die kinderparties am fasching.

beim reden habe ich dann auch den bogen geschlagen zu markenklamottenfetischismus und kinderbekleidung generell. ich habe erzählt, dass meine mom mir immer sachen in rot gekauft hat. ich habe seit meinem 2. lebensjahr von meiner mutter kindersachen in rot bekommen, damals mit vorliebe mit riesigen karos drauf. ich habe später aus trotz, damit ich gottverdammt nicht schon wieder eine rotkarierte hose bekomme, meine eigentliche lieblingsfarbe (worte meiner mutter: "deine lieblingsfarbe ist doch rot?!") in blau umgeändert.

wir haben uns unterhalten und so kam ich auch zu dem dauernden problem mit meiner mom, dass sie mir sachen kaufte, die ich dann nicht anzog. tja. und dass sie dann schließlich hin und wieder auch sachen kaufte, die ich wollte. wobei natürlich (!) keine markensachen angeschafft wurden. aber immerhin wurde auch mal etwas aus jeans-stoff gekauft (wahnsinn gell), auch wenn ich dann immer noch aussah wie ein clown (es gab eine gelbe "jeans"-jacke mit schnallenverschlüssen im michael-jackson-stil... naja, aber immerhin nicht in rot und aus jeansstoff! *seufz*).

ich erzählte, der witz dabei war, dass meine mutter immer meinte, ich sei so schwierig und undankbar. sie würde mir "so schöne sachen" gekauft haben und ich sei aber aus trotz und eigensinn nicht dankbar und würde "die schönen sachen" gar nicht anziehen.

ernsthaft! meine mutter sagte immer "die SCHÖNEN sachen", es gab keine sachen, die ich besaß, die nicht "schön" waren (es sei denn, ich hatte sie selbst ausgesucht oder versucht, etwas kompromisshaft durchzusetzen).

so ging es weiter, steigerte ich mich assoziativ in dem gespräch empor... und schließlich hat mich mein therapeut gefragt, welches erlebnis ich woll noch wüsste, in dem meine mutter oder ein anderes eltern- oder familienteil mir suggeriert hätte, meine meinung sei unwichtig und ich könne "gar nichts".

mir fiel nichts ein in der therapie. nur mit mühe erinnerte ich mich an die vitasprint-geschichte (meine mom hatte mir vor dem abitur vitasprint-b12-präparate aus der apotheke gekauft mit den worten, dass das "sehr teuer" sei und ich aber so mein abi schaffen würde, ich würde ja sonst "dauernd krank" werden, mit vorliebe zu klausurterminen).

aber jetzt in dem gespräch mit monsieur sagte mir monsieur, dass das ja ein dauerhaftes problem zwischen mir und meiner mutter (manchmal aber auch mit meinem vater, aber nur selten und in dem rahmen, in dem man es natürlich auch als pure misstimmigkeit verbuchen kann) gewesen sei und dass das ja ein viel größeres problem gewesen sei als in seinem leben das clownskostüm.

naja

ich selbst weiß es eigentlich nicht so ganz. ist meine kindheit furchtbar gewesen? meine eltern selbst sagten immer und mit (echter) überzeugung, meine kindheit sei "doch schön" gewesen. beim therapeuten habe ich ebenfalls gesagt, meine kindheit sei unbeschwert gewesen und ohne probleme. komischerweise hatte ich aber als abiturientin keinen größeren wunsch als abstand zu bekommen und ich bezeichnete jahrelang, auch noch als twen bis an meine dreißiger heran, meine erziehung als "psychoterror".

ich konnte es selbst nie ganz erklären und vermutete, meine eltern hätten recht: ich bin ein undankbares verzogenes gör.

:-((

monsieur kriegt immer, wenn in einer geschichte die frage von dankbarkeit anklingt, den blick eines stieres, der ein rotes tuch vor augen wedeln sieht.

es ist nicht authentisch, meint er, dass "dank" erwartet wird und (wenn ich richtig verstanden habe) verkümmert die gefühle zwischen schenker und beschenktem.

tja, also das thema "dankbarkeit" war in meiner familie GANZ GROß.

aber mal auf mein eigenes thema ("psychoterror") zurückgeschaut, dann denke ich: wow. es war nicht einfach, meinen freiraum zu finden in meiner kindheit. und bis heute (oder bis letztes jahr) habe ich mich verantwortlich gefühlt, dankbarkeit zu zeigen und aus dem, was mir "glücklicherweise" in die wiege gelegt worden ist, "etwas" zu machen.

punkt 1.: WAS ist mir in die wiege gelegt gewesen? das, was meine eltern mir eingeredet haben...?

punkt 2.: wenn es mich so unglücklich gemacht hat und mir sooo anstrengend war, wie kann es dann das richtige (also: "etwas") gewesen sein?

dieses gespräch mit monsieur hat mich dann länger bewegt, als ich es sonst kenne. meine klagen über meiner dominante mutter äußere ich eigentlich nicht mehr, seitdem ich mich nicht mehr mit ihr reibe und wir jetzt vernünftig miteinander auskommen (sei etwa einem jahr also). und schon immer habe ich nie einen sinn darin gesehen, zu klagen. und einen konstruktiven zugang zu meiner kindheit habe ich mir auch nicht mehr wirklich zugetraut (mein therapeut dazu: "viele erlebnisse haben wir längst verdrängt").

also:

noch ein grund mehr, die kanzlei abzuwickeln. jede akte, die ich in die hand nehme, nehme ich auch ohne dass ich groß nachdenke mit einem anderen gefühl in die hand als damals, als ich noch die verantwortung als anwältin trug. das ist schonmal fakt! aber die deutung meiner jetzigen situation hätte auch zum ergebnis haben können, dass ich traurig und bedrückt bin. vielleicht das versagensgefühl... vielleicht auch der innere schweinehund, der bei nicht-mehr-aktuellen sachen besonders gut im wege steht?

nein, ich mache es jetzt eigentlich lieber. ich mache es dennoch seltener. es ist genau so in ordnung.

weil es eine abwicklung meiner "kindheit" und deren "früchte" sind. weil es ohne zwang (also ohne den inneren zwang "du musst aber doch...") sein soll.

heute nachmittag bin ich mit meiner abwicklerin verabredet. ich fühle mich absolut beschissen damit. aber ich werde es versuchen.

ich bin krank. gestern lag ich den tag über im bett. heute ist es auch scheisse, vermutlich sogar mit fieber. also kann ich gut und gerne den termin mit meiner abwicklerin absagen! wir werden sehen. ich werde mich aber schon noch damit befassen.

nein... wie heißt die RICHTIGE formulierung (wunsch-technisch): ich BEFASSE mich heute damit!

:-)

gruß

s.

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