17 März 2006

irgendwann kommt alles ans licht

liebe sine,
und auch liebe paragraefin,
mit euren beiden mutter-trauma-kindheitsposts habt ihr mir zutiefst aus der seele gesprochen, und das ist auch der grund dafuer, warum ich mich nach so langer funkstille wieder einmal zu wort melde. ich war in den vergangenen wochen schon ein paar mal stille mitleserin, meine finger waren allerdings zu langsam fuer meine gedanken und was immer ich euch schreiben wollte klang am ende einfach nicht wie etwas, das irgend jemand gerne lesen wuerde, und fiel demnach der loeschtaste zum opfer.
heute allerdings habt ihr einen wunden punkt in mir getroffen, von dessen existenz ich selbst erst seit ein paar monaten weiss. auch ich hatte eine sogenannte "bilderbuchkindheit" auf dem land, -zig spielkameraden in der nachbarschaft, mit denen ich sommer wie winter ueber die wiesen und durch die waelder stuermte. vom baumhaus ueber den glitschigen geheimpfad unter den wasserfall, von tief verschneiten pisten ueber sommerlich lagerfeuer - alles hat es da gegeben, wie im film, irgendwie fehlte echt oft nur lassie.
erst seit einigen monaten, seit ich mich aufgrund schwerwiegender ereignisse in meinem eigenen leben (ist das nicht oft so?) intensiv mit allen aspekten meiner aengste und traumata auseinandersetze, entdecke ich, woher ich bestimmte narben habe, warum ich mich in meinen beziehungen immer zum opfer mache -jaja, von wegen toughe karrierefrau, im job vielleicht, im privatleben doch nicht!
meine mutter sagt immer, mein hang zu ausgepraegt maedchenhafter kleidung sei unertraeglich gewesen, vor allem im winter haette es unendlich viel muehe gekostet, mich zum tragen von hosen und stiefeln zu ueberreden. an fasching wollte ich jedes jahr wieder ein feenkostuem, das ich nie bekam. ich war stattdessen schornsteinfeger, indianer, fliegenpilz, chinese, clown (besonders letzteres fand ich alles andere als lustig).
ich habe ein instrument lernen duerfen. ich habe jahrelang ungluecklich klarinette getutet, waehrend ich neidisch auf die trompeter schielte. denn nein, das instrument habe ich nicht aussuchen duerfen.
mir fallen noch hunderttausend dinge ein, von denen viele euch bestimmt bekannt vorkommen wuerden, aber ich erspare euch die liste. ich weiss heute, meine eltern woll(t)en immer nur mein bestes, auf ihre art versuch(t)en sie nur, mich gluecklich zu machen. das erkenne ich durchaus an. was ich daran nicht richtig finde ist: mich fragt keiner, was MEINER MEINUNG NACH mein bestes ist, was MICH gluecklich macht.
zuletzt an weihnachten gab es die ewige, leidige diskussion wieder, dabei kann ich es echt nicht mehr hoeren: "kind, sei froh, dass deine (6jaehrige) beziehung vorbei ist, du hast etwas besseres verdient... ich hoffe *seufz* dass du dich nicht wieder auf so einen versager einlaesst"
das ist nur eines von vielen beispielen.
worauf ich hinaus will: meine eltern wollten mir alles geben, was ich laut ihrer auffassung vom eltern-sein brauchte, aber selbstbewusstsein, glauben an meine faehigkeiten und mut waren nicht dabei. ich hatte immer das gefuehl, nicht gut genug zu sein, den erwartungen nicht gerecht zu werden, wieder enttaeuscht zu haben. das zieht sich durch mein leben wie ein roter faden. mein erfolg im beruf widerlegt das nur zum teil - in meinen beziehungen naemlich leide ich unter entsetzlicher verlustangst. was zur folge hat, dass ich mich erniedrige, einsam fuehle, negativ werde und so manchen tollen mann im handumdrehen in die flucht schlage.
im moment bin ich in der nicht gerade beneidenswerten situation, beruflich mal wieder vollkommen in der luft zu haengen. das grosse projekt, in das ich zwei jahre meines lebens investiert hatte, ist als extrem erfolgreich in die geschichtsbuecher eingegangen und ich brauche einen neuen horizont, ein neues ziel, eine neue herausforderung.
nachts wache ich manchmal schweissgebadet aus traeumen auf, in denen ich meinen vater um die miete anpumpen muss.
tagsueber schaeme ich mich fast, mal eine stunde laenger im cafè an der ecke in der sonne zu sitzen und zeitung zu lesen.
dabei habe ich zwei jahre lang wie ein neger gearbeitet. und habe mir eine verschnaufpause redlich verdient. und irgendetwas findet man immer. und sowieso.
warum habe ich dauernd das gefuehl, mich rechtfertigen zu muessen, und warum denke ich, jemand hat mich nicht mehr lieb, bloss weil er mich nicht alle 3 minuten anruft???

ich bin so verkorkst, leute, und ich bin so froh, dass ich das hier bei euch mal loswerden darf und dass ich nicht die einzige bin, die sich in der tiefe ihrer kinderseele nicht verstanden und daraufhin in eine endlose reihe von kompromissen und rechtfertigungen gedraengt gefuehlt hat.

mut tut gut!
matilda

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