02 Dezember 2005

von Matilda am 2.12.: bleibt alles anders?

an FrauPost:

"Das Leben", schrieb ein Freund mir einmal, "ist ein Fluss, den keiner aufhalten kann. Wir können nichts anderes tun als mitlaufen, bis zum Meer, ohne Angst."

Eigentlich ist dies ja nicht das erste Mal in meinem Leben, dass Dinge sich nachhaltig verändern. Ich habe mehr als einen Aufbruch ins Ungewisse gewagt in meiner Vergangenheit... nicht nur, weil ich Veränderungen an sich spannend finde, interessant und notwendig für die Persönlichkeitsentwicklung. Sondern weil ich sie brauche wie die Luft zum Atmen, weil Langeweile und Stillstand für mich ein Alptraum sind. Insofern kann ich mit Veränderungen eigentlich umgehen.

Dachte ich zumindest.

Bis jetzt.

Bis kaum merklich, während an einem lauen Sommerabend über dem Meer die Sonne unterging, die Wellen sich an den Felsen brachen und am Horizont ein Segelboot vorbeizog, etwas in mir sich unwiderruflich verwandelte.
Es fühlte sich an, als wäre die Welt für einen kurzen, endlosen Augenblick lang stehen geblieben.
Natürlich weiss ich: die Welt bleibt nicht stehen, nie. Die Sonne ist ging unter, die Wellen brachen sich weiterhin an den Felsen, das Segelboot verschwand am Horizont. Und ich... ich habe mich, genau wie die Welt um mich herum, weiter bewegt. Stand weiterhin jeden Morgen auf. Ging weiterhin jeden Abend schlafen. Ass, trank, lachte, redete, arbeitete und tanzte. Nur -

ich hatte aufgehört zu lieben.

Zum ersten mal seit ich denken konnte, seit ich FÜHLEN konnte, liebte ich nicht.

Ein sonderbares Gefühl. Ich tastete mich neugierig daran entlang. Da war keine Angst, keine Einsamkeit, kein Erschrecken. Nur Neugier. Und dieses neue Vertrauen, diese Ruhe, diese unbeschreibliche Kraft die man braucht, um den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Langsam, als würde ein Wal sich auf den Weg zur Wasseroberfläche machen, um Luft zu holen, machte eine neue Gewissheit sich auf den Weg an die Oberfläche meines Bewusstseins.
Die Gewissheit: ich bin bereit für einen Neuanfang, der weit über einen Standortwechsel, einen Jobwechsel, irgendeinen anderen mehr oder weniger einschneidenden Wechsel, hinaus geht.
Die Gewissheit: ich bin bereit für mein eigentliches Leben.

Rückblickend wirkt all das sehr linear und kristallklar. Doch "live" waren die vergangenen Monate, die Wochen, Tage, Stunden, Minuten seit diesem Sonnenuntergang an Intensität, an Energieaufwand, an Euphorie nur durch das überwältigende Ausmass meiner zeitweiligen Angstzustände zu übertreffen. Ich fühlte mich abwechselnd so stark und so schwach wie nie zuvor.
Nachdem ich mein Leben lang dachte, mich beweisen zu müssen, und oft unter meinem mangelnden Selbstbewusstsein gelitten hatte, verlor ich daher kurz die Orientierung. Doch glücklicherweise macht das Leben keine halben Sachen. Und so traf ich in diesen nebelhaften Tagen ohne Horizont zum ersten Mal einen Menschen, bei dem ich mich nicht auf dem Prüfstand fühlte. Bei dem ich mich von der ersten Sekunde an so gab, wie ich bin, ohne wenn und aber. Dem ich mich einfach nur gezeigt habe. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Es war vollkommen natürlich. Es war genial. Genial einfach.

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