07 Dezember 2006

von Isabel am 7.12.: vom Verkleiden

*seufz*

Wenn man sich mit Soziologie beschäftigt, beschäftigt man sich auch mit Geschichte, Politik, Psychologie und auch Ökonomie.
Die alten Klassiker haben es mir angetan und sie waren so ziemlich alle Sozialpsychologen. Früher hat man das noch geschätzt, wenn Menschen universal gebildet waren.

Einige meiner Profs sind universal gebildet. Sie sind so sehr belesen, dass ich mich daneben wie der letzte Depp fühle. Aber sie lassen es den anderen nicht spüren, weil ihnen etwas Elementares fehlt: die Feindseiligkeit. die Destruktivität.
Übriges war auch Erich Fromm Soziologe, ehe er sich auf die Psychologie gestürzt hat. Nur so by the way …

Natürlich gibt es immer Gruppen und natürlich beeinflussen sie unser Handeln, soweit bin ich schon im Studium fortgeschritten, dass ich das weiß. ;-)
Und ganz natürlich gibt es immer einen Antrieb für Gruppendynamik, der aus einer Mischung der Charaktere besteht, und es kommt darauf an, wie glücklich oder unglücklich diese Mischung ist, finde ich.

Sich in Gruppen exotisch zu fühlen, weil DAS niemals die eigene Welt sein kann - kenne ich.
Das Gefühl zu haben, in einer Gruppe nichts Konstruktives beitragen zu können, weil DAS eben nicht die Gruppe ist, zu der man sich zugehörig fühlt, mit der man sich wenigstens in den Ansätzen identifizieren kann - kenne ich.

Was ich nicht kenne und was mich jetzt erstaunt hat in deinem Text @sine: dieses Dazugehören-Wollen, obwohl man spürt, dass es nicht das Richtige ist. Dieses sich Zwingen-Wollen, obwohl sich alles in einem sträubt und schmerzt. Diese Auseinandersetzung mit einer Welt, die an Attributen alles hat, was man selbst nicht für sich möchte - oder doch?

Vll bin ich etwas holzig im Begreifen, denn ich weiß es noch immer nicht: was kann dir ei bieten, was nicht wo anders auch und noch viel mehr und (höchstwahrscheinlich) viel besser zu finden wäre oder anders gefragt:

Was alles muss passieren, ehe sine aufgibt? So ganz allgemein, nicht nur bei ei. Diese Frage haben sich wohl Mr. und Mrs. Destruktiv Was-können-wir-noch-alles-machen-um-die-Juristin-fertig-zu-machen auch schon gestellt.

Für dieses Sträuben habe ich ein Synonym: Überlebenswille. Für dieses Aussitzen habe ich keines. Ist es Geldnot, bekommst du keine Unterstützung mehr als Studierende, Bafög oder Arbeitslosenunterstützung?
Geht’s dir um die Existenz, @sine? Ich habe ja keine Ahnung, wie du finanziell dastehst, bitte verzeih die direkte Frage. Aber ich hätte vermutet, dass Geld das einzige Motiv wäre, dieses seltsame (Psycho)Spiel auszuhalten. Was ich noch am ehesten verstehen könnte, Existenzängste sind mir ein Begriff.

Was ich eigentlich die ganze Zeit sagen wollte: es gibt nicht unbedingt - zumindest in der Literatur - gute und schlechte Gruppen, sondern nur gute und schlechte Konstellationen.

Denke ich mal.

Beispiel: man stelle sich ein hochbegabtes Kind in einer Schulklasse mit durchschnittlich talentierten, durchschnittlich gebildeten, durchschnittlich motivierten Kindern vor. Was passiert?
Das Kind passt sich an, mehr schlecht als recht, denn es bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Es wird frustriert sein, weil es unterfordert ist. Es wird stören, weil es unterfordert ist. Es wird leiden.
Seine Mitschüler werden leiden. Sie werden dieses Kind nicht verstehen und es wird ihnen auch etwas unheimlich sein. Die Lehrer werden vermutlich auch leiden, weil sie mit Hochbegabten nicht umgehen können. Die Eltern werden leiden, weil sie sehen, dass das Kind leidet.

Eine unangenehme Situation für alle.

Ein bisschen kommt mir dieses ei auch so vor. Mit dem Dress-Code und mit dem Jargon. Ein kleiner mikrosoziologischer Kosmos, der keine Expansionsfähigkeit mehr hat. Er kann nicht nach außen offen sein - und nach innen schon gar nicht. Er kann nicht neue Dynamiken und Einflüsse, die er nicht kennt, zulassen. Und jeder, der sich nicht anpasst, ist ein Exot.

Noch schnell ein Exkurs: mein Chef musste gestern zum Rektor. Budgetverhandlungen … Wissensbilanz, aha, wie kann man Wissen bilanzieren, hm? tja, äh, also, hmmm

Jedenfalls hatte er einen Anzug an. Mit Krawatte! Der Herr Topwissenschafter und mehrfach Qualifizierter hat seine geliebten Jeans gegen einen scheußlich cremefarbenen Anzug getauscht. Er fragte mich, wie er aussieht. Ich sagte:"Verkleidet“. Er verzog das Gesicht und rauschte ab. *gg* soviel zum Thema Dresscode.

Alles was passiert, hat einen Sinn. (Vll mit Ausnahme des Dresscodes.)

Ich freu mich schon sehr auf dieses Buch, sine. Wirklich! Vor meinem geistigen Auge sehe ich dich beim Signieren.

Es ist eine Buchmesse.
Wien eignet sich hervorragend für so was.

;-)

Ich wünsch dir sehr, du kannst etwas Konstruktives, Kreatives, eben etwas Sineastisches aus der ganzen Sache machen (übrigens alles Eigenschaften, die dem gemeinen Buchhalter verborgen bleiben), halt uns doch bitte auf dem Laufenden!

Viele liebe Grüße von Isabel!

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