14 Oktober 2005

mandanten abgelehnt

halli hallo

ich habe mich gestern ja entschieden, meine kanzlei auf eis zu legen. ich habe daher gestern das credo an meinen telefondienst ausgegeben, dass ich keine mandate annehme "derzeit" und auch eine mandatsanfrage, die gestern kam, sofort selbst abgelehnt.

anschließend rief eine frau der zeitschrift "fokus" an, die schon seit zwei tagen wegen einer "präsentationswerbung" bei mir angeklingelt hatte. es stellt sich heraus, dass sie zu der thematischen überschrift "berlin, erfolge" meine kanzlei und mich darstellen wollte. ich habe sie gefragt, wie sie bloß auf mich gekommen sei, und nach einigem hin und her hab ich gesagt, dass ich nicht glaube, dass ich für ein interview zur verfügung stünde. da war sie platt. ich hab mich dann entschieden, hinzuzufügen, dass ich mich nicht in richtung auf eine erfolgreiche kanzlei orientiert hätte, sondern eher in das genaue gegenteil und dass ich auch nicht glauben würde, dass es durch ihren artikel besser würde. für meine verständnisse herrscht eine enorme anwaltsschwemme und ich habe nicht länger vor, mich dieser erkenntnis zu verschließen.

ja, das wisse sie, und das sei ja interessant, und vielleicht läuft man sich "telefonisch" nochmal über den weg, sie wünsche mir alles gute, und sie danke mir, dass ich ihr eine erklärung gegeben hätte.

*glotz*

wie habe ich mir gewünscht, dass mich irgendwer mal fördert oder puscht all die jahre. nun kommt fokus und ich kann es nicht. ich kann nicht, während ich eine wichtige vorlesung vermutlich auch noch sausen lassen muss, in meiner kanzlei sitzen und von erfolg faseln. nö.

das darf meine mutter nicht mitkriegen, dass ich fokus abgewiesen habe. die liest fokus nämlich gerne. ;-)

ich hab mich dann mit monsieur unterhalten, wie es ist, wenn man sich prostituiert mit werbung. dass es eigentlich für mich noch die erträglichste werbung sei, wenn einfach etwas berichtet wird über mich oder wenn ich mit einer arbeit irgendwie an die öffentlichkeit trete, z.b. auch durch einen vortrag. aber auf der anderen seite hasse ich fokus, insbesonder den verleger finde ich zum reiern, der inhalt ist uninteressant und cdu-nah. und ich habe mich so lange angebiedert und geschwiegen, ich achte ja auch alle, die geld machen, auch wenn ich sie politisch zum brechen finde, aber ich selbst mich dort darstellen lassen, ist für mich prostitution und so ganz und gar geschmeichelt bin ich ja dann doch net.

zum glück ist monsieur nicht völlig vom glauben abgefallen, weil ich die fokus-dame vergrault habe...

heute hat ein kollege von mir ein weiteres mandat an mich herangetragen. das ist der kollege, der mich gern abends zum essen eingeladen hatte, als ich gerade mit kand. 1 voll gegen die wand gefahren war menschlich und beziehungsmässig und dabei noch ein bissle gegrabbelt und geknutscht hat. ich hab dann - obwohl ich über ihn schon ein großes mandat abgegriffen hatte zuvor (3.000 euro plus oder sogar mehr, weiß nimmer, war auch das alte gebührenrecht, jetzt wäre es noch lukrativer) - sehr vehement klargestellt, dass ich mir das verbitte und insgesamt keine lust mehr auf ihn hätte, auch nicht geschäftlich.

jetzt ruft er an und ist ganz witzig, zumindest wurde mir ein scherz von ihm von meiner telefondame ausgerichtet. brav hat sie ihm schon gesagt, dass ich jedoch keine mandate mehr annehme und er will aber dennoch anrufen und mich selbst sprechen.

ich habe mich ausserdem entschieden, das angebot meiner knackis, in der gefangenenzeitschrift kostenlos eine tolle anzeige für meine kanzlei zu setzen, ablehne.

ich bin heute sehr müde, aber ich staune auch, was immer so alles geschieht in dem moment, wo man aufgibt. wenn ich wollte, hätte ich jetzt die bude voll mit tollen mandanten, zumindest sehr bald, scheint es. aber ich will nicht, meine entscheidung steht.

ich frage mich, ob ich diese angebote auch erhalten hätte, wenn ich nicht aufgegeben hätte. ernsthaft! ich hab den eindruck, erst, wenn man AUFGIBT, kommt plötzlich das schicksal und wirft einem alles hinterher. gold, geld, ruhm und diamanten... *grins* oder so ähnlich.

aber das kann sich das dämliche schicksal in den ort stecken, wo es generell am dunkelsten ist: in den arsch.

irritieren finde ich es allerdings. hat das was mit dem berühmten "loslassen" zu tun?

übrigens schwingt wie auf einer dauertonbandschleife eine frage meines psychodocs von damals immer im hintergrund, seitdem ich mich entschieden habe, die kanzlei abzuwickeln. er fragte: "und was würde sein, wenn sie herrn selbstzweifel verjagen? oder wenigstens in urlaub schicken?"

ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe. aber ich habe das gefühl, ich erlebe gerade, was ist, wenn ich herrn selbstzweifel verjagt habe.

gruß

s.

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