13 Januar 2008

von Isabel am 13.1.: klare verhältnisse

liebe alle und vor allem: liebe @sine,

das mutterthema – so oft zerlegt, zerpflückt und zerpflügt und analysiert, tut weh, nicht wahr, noch immer …. ja, mir auch. manchmal mehr, manchmal weniger.

jetzt könnte man sich ja sprachlich wieder abheben von einer schmerzhaften situation und von der intensiven frühkindlichen prägung sprechen und wie sehr sie sich auswirkt auf das leben, auch wie viel man daraus lernen kann und wie sehr es zur reife beiträgt,

aber ich will mich bemühen, ganz konkret zu bleiben, denn ich glaube, ich kann nicht nur nachfühlen, wie es dir damit geht, ich glaube, ich kann auch mitfühlen, wenn es um den versuch geht, etwas unbeschreibliches zu beschreiben: das verhältnis zur mutter.

wie der idealfall aussieht, wissen wir ja: wenn nicht auf eigener haut gespürt, dann doch aus filmen und vll auch aus dem freundeskreis. gern beobachte ich menschen, die von sich selbst sagen, sie hätten im elternhaus niemals schwerwiegende konflikte austragen müssen (ja, so was gibt’s), sie scheinen mir so unverbraucht und so unerschütterlich.

jedenfalls, und was ich meinte (nur zum besseren verständnis):
mir ist schon klar, dass du - wenn du frau mama nicht über deine pläne informierst - nur demonstrieren möchtest, dass sie eben weder ein teil dieser pläne noch ein ratgeber, noch irgendein faktor ist, der zu berücksichtigen wäre.

und damit hast du schon recht: wenn du es nicht möchtest, steht ihr diese information nicht zu. es ist eine frage von vertrauen und eine frage von wertschätzung, wenn man jemanden etwas aus seinem leben erzählt, denn schließlich möchte man die freude und den schmerz teilen, sonst würde und könnte man ja auch alles für sich behalten.

wie gesagt: das verstehe ich, da bin ich ganz bei dir, weil ich ähnlich denke. meine geschichte mit frau mama kennst du ja und auch wenn es eine so ganz andere konstellation zwischen mir und ihr ist, so ist doch das ergebnis zumindest ähnlich: wir sind uns fremd und wir haben keinen kontakt. sie weiß zB nicht einmal, dass ich geschieden bin. das wissen viele nicht. manchen habe ich es erzählt und nach deren - sehr seltsamen - reaktionen hab ich aufgehört zu erzählen. ist doch egal, was sie denken.

kaum jemand kennt die ganze geschichte, nur ihr … alle anderen wissen nur fragmente. und ich bezweifle auch, dass sie mehr wissen wollen.

aber deine mama will mehr von dir wissen und das meinte ich mit meinem letzten beitrag: sie wird es vll so ganz anders auffassen, als du es gemeint hast. sie wird es möglicherweise als einen affront gegen ihre person empfinden, wenn sie eines tages durch zufall durch einen dritten erfährt, dass ihr beide ein ehepaar seid.

ihre reaktion wird - vermute ich - dann noch viel schlimmer sein, als wenn sie von dir informiert wird. oder ich schätze sie falsch ein, schließlich kenne ich sie ja kaum (also nur durch deine erzählungen) und sie wird gar nicht reagieren?
beleidigt ist sie in jedem fall. wie sich das auswirkt, weiß ich nicht. vermutlich kannst du es dir ausmalen.

daher: vll wirkt sich die ignoranz schlechter aus als die vorinformation, weil deine mama - im gegensatz zu meiner - interesse an deinem leben hat, aus welchen motiven auch immer.
sicher ist die präsentation dieses interesses entbehrlich, wenn es in maßregelungen und ungefragten ratschlägen ausartet. sicher wäre das eine große plage und riesige geduldsprobe für dich, wieder einmal und einmal mehr.

eigentlich gehen wir doch alle vom gleichen standpunkten aus, denke ich. wir wünschen uns ideale zustände und wenn sie nicht ideal sind, dann tun wir lange unser möglichstes, um die zustände zu ändern und sind lösungsorientiert und bemüht und stecken auch zurück: nur um harmonie zu erzeugen, um diese idealität zu erreichen, sie zu leben und zu teilen.

und wenn das nicht hilft, dann idealisieren wir, wieder eine weile.
und wenn das nicht hilft, dann distanzieren wir uns (und leiden) und schließlich
endet dieses unlösbare etwas - trotz allem engagement und energie und herzblut, das in ihm steckt - in resignation und schließlich in ignoranz.

wann ist es überstanden? wenn man die hoffnung auf eine lösung schon aufgegeben hat? wenn es einem egal ist, wenn es beiden egal geworden ist?

meine mutter und ich sind uns fremd. eigentlich immer schon gewesen. es war eine wohngemeinschaft, niemals eine lebensgemeinschaft, als wir noch unter einem dach wohnten. so etwas kommt vor und es ist heute nicht weiter erschütternd.

das seltsame ist, dass wir uns nie begegnen, obwohl wir nicht so weit voneinander entfernt wohnen. man begegnet doch immer menschen, die man jahre nicht gesehen hat: plötzlich in der straßenbahn, beim einkaufen, zufällig auf der straße.

es gibt keinen kontakt und das tat mir lange jahre weh. heute - glaube ich - ist es mir egal geworden. das dauerte sehr lange und durchlebte viele phasen, die zur entfremdung beigetragen haben. auch die nichtinformation stellte ihren beitrag. aber wie gesagt: es war leicht, schließlich wollte sie auch gar nichts darüber wissen.

aber trotz allem, trotz aller klarer verhältnisse - nämlich die nichtexistenz dieses verhältnisses - weiß ich nicht, wie ich reagieren würde, wenn sie plötzlich vor mir steht.
vll wird man diesen schatten ja niemals los, wer weiß.

alles liebe wünscht euch
Isabel!

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