24 Oktober 2006

von Isabel am 24.10.: Desillusion

Huhu!

Na, ein wenig hab ich mich schon gewundert über das Nicht-Schreiben, mir aber nicht weiter viel dabei gedacht - es kann ja viele Gründe haben: Probleme mit der Technik, Stress auf ei zB oder einfach keine Lust und keine Laune.
Dass es aber dann doch ein belastendes Problem gibt, konnte ich nicht ahnen und es tut mir Leid.

Dabei frage ich mich, ob ich überhaupt mitreden kann. Hatte ich jemals das Gefühl, dass mir ein Mensch überlegen ist? Ja. Hatte ich jemals das Gefühl, dass er das ausnutzt? Nein. Es waren immer die Menschen, die mich weitergebracht haben, die freundlich waren und mich in irgendeiner Hinsicht fördern wollten. Es waren die mir wohl gesonnenen, ich hatte wohl Glück.

Dass es auch umgekehrt sein kann, dass Menschen ihre (vermeintliche) Überlegenheit ausspielen können - bewusst oder unbewusst ist gar nicht so wichtig für das, was sie anrichten - weiß ich ja nur aus Erzählungen und nicht wirklich aus eigener Erfahrung.

Ich kenne einige und manche sind gar seltsame Psychospiele um Macht und Ohnmacht, sehr oft ohne dass die Beteiligten die Auswirkungen abschätzen konnten, vor allem und besonders, wenn es um Kinder geht.

Eine dieser Geschichten habe ich hier vor Augen. Ich weiß nicht, ob es etwas bringt, sie zu erzählen, vll kann man etwas aus ihr sehen, lernen, assoziieren:

Eine der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen ist eine bereits pensionierte Assistentin, die immer lieb und freundlich ist, @sine würde sie unterwürfig nennen ;-)

Sie lebt sehr zurückgezogen und bescheiden und geht in ihrer (geringen) Beschäftigung völlig auf. Sie lebt für die Lehre und für die Studenten. Sie schreibt, sie reist, sie leitet Projekte, sie ist sehr aktiv und das mit Ende Sechzig. Sie ist geistig hellwach und sehr belesen.
Dabei sieht sie aus wie eine süße Omi. Mit grauem Dutt und Wollwestchen, es fehlen nur noch Schaukelstuhl und Märchenbuch.

Einmal kamen wir ins Gespräch über ihre ehemalige Chefin, eine Professorin, die sehr gefürchtet war. Sie war wissenschaftlich brillant und sehr kompetent, menschlich völlig daneben und führte ein strenges Patriarchat (Matriarchat?) in ihrem Institut.

Aus einer distanzierten Perspektive vll erklärlich, da sich eine Frau in der Wissenschaft früher wohl noch weniger durchsetzen konnte als heute. Aber menschlich waren die Aktionen der Unterdrückung nicht wirklich nachvollziehbar.

Jedenfalls arbeitete diese heute pensionierte Assistentin 40 Jahre unter der Fuchtel dieses Drachen, um es mal ganz respektlos auszudrücken. Sie konnte sich in dieser Zeit weder wissenschaftlich weiterentwickeln noch Projekte leiten, es war ihr nicht möglich, sich zu habilitieren, sie war nur der Handlanger für Mrs. Wissenschaft und litt still in deren Schatten. Als die Professorin erkrankte, kümmerte sie sich um sie, Tag und Nacht. Sie hatte keine eigene Familie, keine Karriere, keine Hobbies, kein Leben.

Letztes Jahr starb die alte Professorin und ihre inzwischen pensionierte Assistentin begann, ihr Leben nachzuholen. Besser spät als nie?
Ich fragte sie ganz unverschämt, warum sie ihr nie den Rücken gekehrt hatte und ihr Glück bei einem anderen Professor versuchte. Sie reagierte erstaunt und meinte, das wäre ihr nie in den Sinn gekommen, das war doch ihre Mutter.

Tja, äh, und die Moral daraus?

Sie hätte mir gezeigt, dass man selber noch so klug sein kann und talentiert, ausgestattet mit den besten und edelsten Eigenschaft und ein sagenhaftes Potential mit sich herumschleppen kann - es hilft alles nichts, wenn man es nicht schafft, sich denen zu entziehen, die einem schaden.

Aber andererseits: was bleibt, wenn die Hoffnung stirbt, dass eines Tages alles besser wird und harmonischer und einsichtiger und liebevoller? Welchen Wert hat die Desillusion?

Solche und ähnliche Fragen gehen mir heute durch den Kopf. Jetzt geh ich mal in die Vorlesung, vll komm ich ja mit haufenweise neuen Erkenntnissen zurück ;-)

Wünsch euch allen alles Beste, liebe Grüße von Isabel!

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