06 Januar 2006

kollege s.: des dramas letzter akt

na gut! erzähle ich einmal die geschichte von herrn rechtsanwalt s., meinem (ehemaligen) kollegen.

erstmal vorneweg: ich weiß nicht, was los ist, aber ich hab schwierigkeiten, zu posten. *huch* ich habe einige dinge im kopf, die nicht rauswollen und vielleicht auch dann besser nicht raus sollen. und ich habe manchmal GAR NICHTS im kopf und weiß nicht, was ich schreiben sollte.

mit rechtsanwalt s. hingegen hätte ich eigentlich eine bühnenreife geschichte, zumindest hat sie für mich persönlich einen ziemlichen spannungsbogen... aber ich habe keine lust, sie zu schreiben.

*nochmal huch*

aber sie geistert mir im kopf rum, diese geschichte, und während ich eigentlich vwl lerne (jaajaa) erscheint sie mir wichtiger als sonst. ein schelm, der böses dabei denkt.

also: meinen kollegen kennen ja schon einige, nehme ich an, aber ich möchte ihn in einigen worten nochmals beschreiben: circa 50 jahre alt, 8-jährige tochter, kanzlei-oberhaupt in der kanzlei, in der ich einen büroraum (oder eine kammer, wenn man ehrlich ist) gemietet hatte und der mich dann anschließend kostenlos das schild aufhängen lassen hat (rechtsanwälte haben kanzleipflicht und brauchen ein schild, was irgendwo hängt) und dafür gesorgt hat, dass ich einen büroraum kostenlos erhalte, wenn ich DOCH MAL mandantengespräche im büro zu führen hatte (und nicht im knast, wo ja meine klientel sonst zu finden war).

herr s. also. ich persönlich hatte den verdacht gehabt, dass er mich insgeheim "gut" findet und sich einfach nicht getraut hat, mich näher kennenzulernen. naja, seine frau lebte damals noch und überhaupt.

ist auch in ordnung so, habe ich gedacht, denn ich hatte angst gehabt, dem nächsten verehrer einen korb geben zu müssen. ich war zuvor gerade aus einer bürogemeinschaft geflogen wegen eines solchen kanzlei-internen verehrers. angeblich war es der dackel, der untragbar gewesen sei, noch eigentlicher sei mein "ton" unerträglich und mein ehemaliger referendariatskollege konnte ihn ganz eigentlich angeblich nicht mehr ertragen. uneigentlich hatte ich einen freund und hatte dummerweise damals etwas von diesem neuen (damaligen) freund erzählt, ganz "unter freunden", wie martin damals sagte. und ganz uneigentlich war dann keine zwei wochen später superdog unerträglich und mein ton ebenfalls.

;-)

ich möchte noch eine art erklärung zu der beschreibung von herrn s. und den umständen insgesamt hinzufügen:

ich war schwerstens bedrückt, dass ich NICHT nach einem jahr geld verdient habe mit meiner kanzleitätigkeit. mein vater war gestorben, meine mom zahlte mir meinen unterhalt und hatte meine damals sehr verhassten familienteile mit geld angebettelt, die mir die miete für meine kanzlei bezahlten. ich war innerhalb meiner ersten monate schon vom totalen bonzenverachter zu jemandem mutiert, der auch den ekligsten schleimer letzten endes eine portion respekt zollt, weil er geld verdient hat (zumindest wenn es dann auch so war).

meine bedrückung steigerte sich ja eigentlich bis zum 3. jahr meiner selbständigkeit noch weiter und erst danach wurde ich gelassener mit diesem problem. aber angenehm war es nicht, und manchmal dachte ich, warum so mühsam, sine, hol dir doch herrn s., du kannst ihn trösten nach dem tod seiner frau (ich und trösten, naja) und er wird dafür die beziehung "alter sack und junge frau" praktizieren.

ich habe damals nicht gewußt, was richtig ist und davon abgehalten hat mich eigentlich, dass ich nicht verliebt war richtig und dass er eben damals schon ein fürchterlich hölzerner typ war. er war ein mann, dem zwar die kinnlade runtergefallen war, als er mich gesehen hatte, der aber sonst auf dem "sie" bestanden hatte und immer beschäftigt und herablassend getan hat, auch wenn ihm dabei die stimme gezittert hat manchmal.

ich mag menschen nicht, die nicht zu sich stehen und herr s. ist nunmal so jemand. bei der leichtesten brise kippt der aus den latschen, habe ich gedacht, und wenn er nur ansatzweise merkt, dass du das über ihn denkst, sine, dann massakriert er dich beruflich zumindest). also habe ich immer schön mit ihm getan aber nie so ganz gewußt, was ich denn eigentlich will und diese unentschlossenheit dann als zeichen für die notwendigkeit von distanz gewertet.

sodele

und nun hatte ich also den gesamten dezember 2005 vor mir hergeschoben, herrn s. anzurufen und ihm mitzuteilen, dass ich nimmer rechtsanwältin bin und zudem mitzuteilen, dass das kanzleischild, auf dem mein name steht, runter soll.

dummdidummdidumm

dass ich die allerletzten tage nahezu paralellisiert war, hatte ich schon in einem vorangegangenen posting geschrieben, gell. aber irgendwie gab es auch schon vorher so schleppende dinge. manches flutschte, manches blieb irgendwo hängen. ich war brutal im stress (studium, 400-euro-job, nachhilfe für die jurastudentin) und hab mich gefreut, dass ich ÜBERHAUPT so viel im griff hatte. tatsächlich hatte ich keine aussetzer mehr im chronologischen, aber zum ende hin kamen die dann doch wieder. einige schreiben lieben immer noch, seit weihnachten liegen sie schon. ich müsste mal in die hufe kommen.

so

monsieur hatte mich schon einmal ermuntert, ihn anzurufen. das war seltsam, denn normalerweise scheint er nicht der ansicht zu sein, man müsste mich antreiben. funzt bei mir null, wenn mich jemand antreiben will, aber so nett und aufmunternd war es natürlich dennoch toll. hat allerdings auch kaum eine wirkung gehabt. weiß nicht, ob ich mich darauf einlassen mag, mich von monsieur aufmuntern zu lassen. ich finde, man wird so schnell abhängig von solchen dingen und verkommen schließlich zu ritualen oder münden im ernstfall auch in streits, die einfach falsch sind in einer beziehung.

hm

aber am 3. war es endlich so weit und ich habe angerufen. meine gemurmelten gebete, dass er nicht da sein möge wie die beiden anrufe im dezember vorher, als ich mich immerhin bemüht hatte, ihn zu sprechen, wurden diesmal nicht erhört und er war da. ich hab in meinem erschrecken einen auf fröhlich gemacht und in frechem tonfall gesagt: guten tag, ich wollte mich mal wieder melden (ist schon mal ein insider-joke, denn zuletzt hatte kollege s. mich versetzt - im november - und sich dann mehrmals per sms entschuldigt und nahezu bettelnd gefragt, ob ich ihm verzeihen könnte) und wir müssten mal wieder essen gehen (nochmal derselbe insider-joke) und dass ich ja erzählen wollte, dass ich meine rechtsanwaltszulassung zurückgegeben hätte und überhaupt hätte ich fragen wollen, wie es ihm eigentlich geht.

wie üblich wich er meiner frage, wie es ihm gehe, aus, allerdings diesmal glaubwürdig. "was" und "sie haben ihre zulassung zurückgegeben, wieso das denn" und "sie hätten doch uns als ihre abwickler bestellen lassen können" gab es als antwort und ich hab mich gleich beschissen gefühlt, denn stimmt, hatte ich vergessen: er war ja meine zweite wahl gewesen. als er später, als wir uns trafen gestern, "spasshaft" hinzufügte, ein "guter abwickler" drehe es so, dass der ehemalige rechtsanwalt überhaupt kein geld mehr bekomme, da wusste ich dann, was mir so wenig gefallen hatte: dieses überlegenheits-getue und dieses mir nicht sooo angenehme spiel "wer ist hier das größere arschloch unter uns juristen".

tjach

überraschend hatte er auch zeit und noch überraschender kam er sogleich aus seinem büro geschnellt, als ich gestern dann pünktlich um 12 uhr erschien zum essengehen.

er hatte mal wieder einen rabatt-gutschein, diesmal für meinen lieblings-japaner gleich bei unserer kanzlei um die ecke. er bestellte das teuerste gericht, ich das zweitteuerste. allerdings war meine freude nicht 100%ig, denn seitdem ich selbst sushi fabriziere, fall ich nicht mehr so vor glück in ohnmacht, sushi essen zu gehen. ich muss zugeben, ich finde mein eigenes sushi leckerer als alles sushi, was ich je gegessen habe, denn es schmeckt nach mehr.

hm

außerdem schaufel ich ungern kiloweise essen in mich rein, aber na gut, fisch und naja, wer weiß, wann in meinem leben ich nochmal so etwas esse. das eine gericht hat 29 euro gekostet (ermässigt dann die hälfte), wahnsinn.

er war nicht sonderlich geschockt von meiner idee, die kanzlei zuzumachen und ich war froh darüber. denn sonst lachte er mich ja unheimlich gerne aus für meine aktivitäten. eigentlich kam in jedem gespräch ein "was machen sie???" oder mehrere vor. hm, in diesem gespräch auch, stimmt. als ich erzählt habe, dass ich einer jurastudentin nachhilfe gebe. aber das ist mir nicht so wichtig.

komisch eigentlich... ich glaube, zu meinen aktivitäten JETZT stehe ich einfach.

tjach

und dann hat er gestelzt irgendwas geredet von wegen "unförmlicher" und "den knigge befragt" und bla und ich hab gesagt, dass wir in berlin seien und uns eigentlich sowieso die ganze zeit falsch artikulieren würden: es heiße nicht "sie" und "frau kollegin", sondern "ey" und "ey du".

ja super, er hat mir also das du angeboten (o.k., das kann man jetzt aus den worten, die ich eben geschrieben habe, nicht rauslesen, aber er hat es getan, ich hab es nur sofort aufgelöst, weil die sache unglaublich peinlich wurde für ihn und ich nicht weiß, warum man da nicht mal drüber lachen kann).

ich hab gesagt "ich bin die s." und er hat gesagt "ich bin der r." und gelacht und es war nett. im laufe des essens, das ob der menge lange dauerte, gewöhnte ich mich dann an den gedanken, dass unsere beziehung jetzt irgendwie normalisiert wurde in richtung freundschaft, fragte mich aber, wieso er mir das du nur so gestelzt angeboten hatte und warum er SOFORT anschließend darauf bestand, dass wir uns mal bei mir treffen sollten und seine tochter möchte auch und blablabla.

ich kämpfte die folgenden dezi-minuten damit, wie und ob ich überhaupt unterbringen sollte, dass ich mit meinem freund zusammen wohne, und ziemlich am ende des sushi-gefresses entschied ich mich dafür, es unterzubringen und fand auch eine stelle, wo er keine chance hatte, sich zu blamieren. er ließ sich auch tatsächlich nichts anmerken, nur die verabredung bei mir ist nicht zustande gekommen, seltsam seltsam, muss er vergessen haben plötzlich.

:-/

ich habe es sowieso "vergessen", hätte er direkt gefragt, hätte ich mir sonstwas ausgedacht, aber nach hause wollte ich ihn nicht bringen. habe von männern mit flausen und / oder revieransprüchen die schnauze gestrichen voll, und gerade so ein riesenklemmi ärgert sich vermutlich schwarz, dass ich nimmer alleine lebe, und ich traue es klemmis auch generell zu, sich wie eine motte ins licht in ihr persönliches "todesurteil" zu begeben und bla.

nee danke

aber ob ich ihn beschummele und die existenz von monsieur noch hinauszögere? bisher war ich ja von ihm abhängig gewesen bezüglich der kanzlei... ich hatte irgendwie diesbezüglich keinen plan und jetzt wollte ich ihn vielleicht aus gewohnheit nicht verletzen, vielleicht auch, weil ich durchaus ahne, dass er nicht nur ein klemmi ist, sondern auch ein klemmi, der über seinen schatten gesprungen ist (!) nach vielen vielen jahren, also bitte.

als wir dann zur kanzlei zurückschlappten, machte er die üblichen anstrengungen, mich nicht mit hineinzunehmen, was mir ehrlich gesagt immer 100%ig recht ist. also kennt ihr das? viele menschen sagen nach einem treffen "komm doch noch auf einen kaffee mit rein, willst du denn jetzt schon gehen" bla. ich hasse das. ich mache einen termin oder sonst ein treffen und entweder ich habe lust, noch was zu unternehmen, oder ich gehe halt nach dem treffen wieder, aber dieses "oooooch, wenn du jetzt gehst, ist es ja vorbei" find ich doof und halte nach jahrelangen ausreden, die ich als studentin gefunden und gerne auch bei anderen gehört habe, um nur zu ja nichts zu kommen im leben (insbesonder nicht zum studieren), verzögerungen, die nur so leicht knatschig und gelangweilt entstehen, für richtig nervige geschichten.

tja

nicht bei herrn s.! keine verzögerung, sämtliches gepose und gesülze wird pünktlich bis zu dem punkt über die bühne gebracht, wo sich unsere wege trennen.

*top*

tja ich reiche ihm die hand, denn das macht er ja gerne so mit mir. nach dem "du" fällt das eigentlich weg (wobei... weiß man's bei dem typen). aber ich habe es absichtlich gemacht und ihn dann, als er meine hand zum abschied genommen hatte, an mich gezogen und kurz umarmt.

*brrrr* ich hörte ein widerliches schmatzen seiner lippen und davor und danach ein geplappere, dass - ganz genau während er gerade so ablehnend redete! - darauf lautete, dess er "das" ja gar nicht möge und dass das "wie in münchen" sei. wir standen anschließend fast 2 meter auseinander.

ich ließ mir dann sogar noch einen "coolen spruch" an den hals labern, er würde "ganz oder gar nicht" richtiger finden, und ich fand den spruch doof und sagte nur genervt, dann würde ich jetzt wohl rot werden müssen und ich würde aber einfach so etwas nie wieder tun.

"so gut kenen wir uns doch gar nicht meinte er" und ich "ich finde schon, dass wir uns ziemlich gut kennen". ich hatte meinen tonfall und (vermutlich) auch meinen gesichtsausdruck angenommen, den ich pflege, wenn ich "die anwältin" mime und darauf bedacht bin, dass ich mich durchsetze. damit will ich sagen, ich redete sehr laut und in einem tonfall, der eigentlich keine widerrede zulässt. das "nette" im inhaltlichen wollte ich damit zudecken und ihm sagen, dass hier kein anlass zur panik bestehe, ich aber gleichzeitig nicht verstehe und den fehler nicht bei mir liegen sehe.

ehrlich gesagt fand ich sein "ganz oder gar nicht" auch bekloppt und hatte DARAUF eben keinen bock. auf das "ganz" hatte ich keinen bock.

bei schüchternen menschen kommen solche dinge ja dauernd auf. es ist ja peinlicher, mit einem schüchternen menschen zu sprechen, als mit einem nackten mann mit erigiertem penis, denke ich manchmal. will sagen, es ist natürlich möglich, dass er mir nicht nahetreten wollte. dafür spricht einiges...

aber es war noch etwas, was mich zur distanzierung veranlasste: ich fand seinen bussi widerlich, er war auch gar nicht nötig gewesen und wenn, dann macht man herrgottsakra einen luftbussi aber nicht dieses saftige schmatzen wohin auch immer (er hat mich net berührt, es war aber so laut gewesen, dass er verdammt nah an meinem ohr gewesen sein muss).

klingt frigide? leutz, ich hasse die bussi-bussi-gesellschaft ja auch. ich wollte nur ein zeichen setzen für die freundschaft, von mir aus kommen solche umarmungen auch nur selten bis nie.

also... es war "falsch" gewesen und ich war SO FROH, diesen ort des peinlichkeitsstresses verlassen zu können. so froh, draussen zu sein. so froh, einen guten weg zu fuß gehen zu können.

ich hörte aber nicht auf, froh zu sein, dort wegzukommen, als ich schließlich in der s-bahn saß. und erst als ich ausstieg, wußte ich, was los gewesen war:

es war irgendwie raus. endlich war etwas von dem, was immer unausgesprochen zwischen uns gestanden hatte (vielleicht in distanzierender art, vielleicht - und das vermute ich - in verbindender art), draußen. ich kann es nicht genau erklären. ich glaube, dass er mir das "du" angeboten hat, dann aber 500mal steifer und verklemmter war als sonst und schließlich geradezu ein faux pas passiert ist, hat "es" rausgelassen oder zumindest einen teil von dem, dass mich immer gestresst oder bedrückt hat an dieser freundschaft "abgearbeitet".

ich habe erfahrungen gemacht in meinem leben. und mein erfahrungsschatz brüllte in dem moment, wo mir klar wurde, dass etwas "gefallen" war, was schon längst hätte geklärt und erledigt sein müssen, dass dieser mann sich freiwillig nicht mehr bei mir meldet.

*hihi*

wenn er so ist wie @faust im lk-forum, dann ruft er "aus anstand" noch ein, zwei mal im jahr an und ich werde immer irgendwie keine zeit haben oder ihm meine werbeflyer für meinen künftigen schreibservice in die hand drücken.

tjach

dann war ich auf arbeit, dort kann ich ja ins internet und da habe ich mir dann die url angeschaut, die er mir gegeben hatte. ich stellte fest, dass mein kollege einen begleitservice in asiatischen ländern aufmacht (und in jamaika hat er auch eine junge dame am start). unter der angegebenen url hat er eine website gestaltet, er steht im impressum. ob ich seinen converter rausfinden würde? ja habe ich rausgefunden. "web2 date" heißt sein programm, mit dem er die site gemacht hat. find ich seltsam, den namen "web2 date".

ich war geschockt und ehrlich gesagt hat mich monsiers sichtweise, dass das auch seriös sein könne, nicht überzeugt.

abends haben monsieur und ich dann gewitzelt.

naja

was soll ich sagen.

das ist die geschichte von herrn s.

von herrn s., den ich jetzt dutze.

äh

ja




ich finde, das ist irgendwie eine geschichte, bei der ich still werde. für mich ist noch von interesse gewesen, ob ich überhaupt so sein darf. ob ich also ihm nett und charmant gegenüber auftreten konnte / durfte all die jahre und nun im inneren "kündigen" darf.

monsieur meint "ja" und ich auch.

gruß

s.

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